Der Tag des Wassers
Auszüge aus der am 1. Efferd für die Facultas Sumui
Transformatoricae gehaltenen Sondervorlesung anlässlich des "Tages des
Wassers" von Meisterin Sheddja, Academia Limbologica.
Mit dem heutigen Tage übernimmt der Hohe Efferd für einen Mondzyklus
die Regentschaft im Götterlauf. Und er zeigt dies am allerdeutlichsten an
eben jenem ersten Tage, dem Tag des Wassers. - Die Meisterin macht eine
Geste in Richtung der Fenster, an die heftiger Regen prasselt. - In den
Küstenstädten werden zur Stunde prächtige Prozessionen zu Ehren des Herren
der Meere abgehalten, doch für unsere Akademie hier in den Bergen und für
uns Magi im Speziellen ist mehr der elementare Aspekt denn der
theologische interessant. Wir dürfen dabei jedoch nicht aus den Augen
verlieren, dass EFFerd als alter Gigant jeden Tropfen Wasser unter seiner
Kontrolle hat, nicht der Magus, der im Vergleich nur wahrlich bescheidene
Macht mit den Canti der Invocatio Elementharii und der Magica
Transformatorica ausüben kann. Zuallererst müssen wir uns in unserer
elementar-magischen Betrachtung jedoch auf die scheinbar alltäglichen
Aspekte des Wassers konzentrieren.
Jeder Laie wird feststellen, dass Wasser einen fluiden Aspekt der
Elementarologie trägt, was bedeutet, dass sich alle flüssigen Stoffe auf
dem Wasser als deren Primärsubstrat gründen. Wie uns die Alchimie lehrt,
setzt sich beispielsweise das Quecksilber zu gleichen Teilen aus den
Elementen Wasser und Erz zusammen. Wasser ist zwar nicht flüchtig (wie
Luft oder Feuer) aber auch nicht fassbar (wie Erz, Humus oder Eis) und
hat, wie uns das Grosze Elementharium lehrt, die intrinsische
Eigenschaft der langsamen, aber stetigen Veränderung. Die Analogienlehre
zieht sogar noch weitere Parallelen zu Charaktereigenschaften und
körperlichen Attributen, die jedoch für die praktische Anwendung in der
Elementarologie eher nebensächlich sind. Grundlegend sind jedoch die
höchst bemerkenswerten Übergänge zwischen Elementen, die nur beim Wasser
in dieser Deutlichkeit auftreten. Diese treten, vom ursprünglichen reinen
Element Wasser in zwei Richtungen auf, auf die ich mich als den heißen
und den kalten Pfad beziehen will. Diese Terminologie ist sicher
schnell einleuchtend, man sollte die zugrunde liegenden Prozesse jedoch
nicht als trivial ansehen, zeigen sie doch keinesfalls die vielleicht
zuerst erwartete Symmetrie:
Der heiße Pfad benennt die Applizierung des Elementes Feuers am
Element Wasser, was nichts anderes als dessen Erwärmung bedeutet. Der
genaue Verlauf der nun folgenden Transformation ist nicht erforscht,
jedoch will ich an einem Beispiel die wichtigsten bekannten Schritte
erläutern: Wir stellen uns einen Topf Wasser vor, der durch ein Feuer
erwärmt wird. Die Temperatur nimmt zuerst zu, ohne dass etwas Ungewöhnliches passiert, irgendwann setzt eine leichte Dampfentwicklung
ein. Dann ganz plötzlich entstehen heftige Wirbel im Element und es
steigen große Dampfblasen aus dessen Inneren auf. Wer in einer
alchimistischen Werkstätte diesen Prozess in einem Glaskolben beobachtet,
kann die nun folgende Interpretation sicher nachvollziehen: Ich
postuliere, dass das Element Feuer durch seine Fähigkeit, selbst feste
Materialien zu durchdringen und seine Kontrarität zum Wasser dieses in
elementarem Wettstreit vernichtet. Natürlich geschieht dies zuerst in den
äußeren Regionen des Behältnisses, deshalb steigen die Blasen auch von
dort auf. Doch erklärt dies nicht die Entstehung von Dampf, dazu muss man
noch tiefer in die Eigenschaften der Elemente dringen und auch das Feuer
genau betrachten. Im Gegensatz zum Wasser ist Feuer flüchtig und ohne
Substanz. Das kann man sich so vorstellen, dass man Feuer, wie Luft, nicht
wiegen kann. Sehr wohl kann man aber Wasser wiegen, indem man es in eine
Flasche füllt und das Gewicht der leeren Flasche subtrahiert. Nun trägt
Feuer primär den destruktiven Aspekt der Elementarologie und vermag es,
jedes Element zu vernichten. Doch ist dies wahr? Ich behaupte, dass nur
das destruktive Element selbst auch vernichtet werden kann, was wie eine
Strafe der Götter scheint. Verbrennen wir Holz so steigt Rauch auf, bei
Wasser ist dies Dampf, beides Substanzen, die eindeutig dem Element Luft
zugeordnet werden können. Es zeigt sich also in unserem Experiment eine
der wunderbaren Symmetrien der Elementarologie, dass allein das
vernichtende Element vernichtbar ist und es andere Elemente nur umwandelt.
Nun sagte ich zu Beginn der Diskussion der so genannten Pfade,
dass wir bei den zwei Ausprägungen keine Symmetrie finden werden, jedoch
haben wir innerhalb des heißen Pfades eine hochinteressante und wohl
unvermutete entdeckt. Beim kalten Pfad applizieren wir das Element
Eis am Element Wasser, was experimentell im Sommer oder in heißen Gegenden
und ohne magische Hilfsmittel recht schwierig sein dürfte.
Glücklicherweise betreffen uns diese Probleme als Magi in den Bergen
nicht, ich will an dieser Stelle jedoch nicht auf die experimentellen
Details eingehen. Die Transformation verläuft im Grunde ähnlich wie beim
heißen Pfad: ausgehend vom Rand eines Behälters wird das Wasser
zuerst langsam, dann immer schneller umgewandelt. Doch ist der Endzustand
in diesem Falle, und das ist das Bemerkenswerte, das Element Eis, also der
Transformations-Katalysator selbst!
Wir haben nun also gesehen, welch dynamische und wandelbare Struktur
dem Wasser zugrunde liegt. Eben jene Dynamik hat jedoch auch zur Folge,
dass wir die Bewegung von Wasser nur schwer bis gar nicht vorhersagen
können. Lasse ich dieses Stück Kreide fallen, wird es - wie jeder wohl
vorhersagen kann - von der Kraft Sumus zum Boden gezogen und bleibt dort
liegen, vielleicht zerbricht es. Schütte ich jedoch Wasser aus, so
verändert es seine Form zuerst zu einem zum Boden gerichteten Strahl,
dann breitet es sich glatt am Boden aus und verbleibt dort als Pfütze in
jeder beliebigen Form oder bildet einen Strom in eine unvorhersagbare
Richtung, wo uns der Boden hier doch eben erscheint. Auch nehmen Flüsse
oft seltsame Wege anstatt gerade zum Meer zu fließen und zudem ist Wasser
das einzige Element, das aus der alveranischen Sphäre zu uns gesandt wird,
es sei denn wir betrachten Blitze als Ausprägungen des Feuers.
Zum Ende meiner Oratio des Elementes Wasser will ich noch auf die
Canti eingehen, die wir dazu nützten können, das Wasser nach unseren
Vorstellungen zu manipulieren: Zuerst sei da, wie mir sicher auch jeder
hier im Raum sagen kann, der MANIFESTO zu erwähnen.
Ihn können wir nutzen, um zu allen Zeiten und an allen Orten, d.h.
unabhängig von den umgebenden elementarischen Gefügen, ein paar Schlucke
Wasser zu beschwören. Es handelt sich dabei stets um eine sehr reine Form,
was diesen Zauber für Experimente in der Alchimie sehr nützlich macht. Mit
den Elementarbeschwörungen ist es uns aber auch stets möglich, nicht nur
die Substanz und die Aspekte eines Elements zu beschwören, sondern auch
dessen "Charakter" und "Persönlichkeit", was mittels Dschinnenbeschwörung
möglich wird. Meister Achmed wird in der Facultas
Elementharii noch eingehend darauf eingehen, und auch dem
Element Wasser werden noch etliche Wochen gewidmet. Die weiteren
elementaren Zauber rekrutieren sich vornehmlich aus den Elementaren
Hexalogien, wobei das Wasser hier jedoch noch schwach vertreten ist.
Gerüchteweise bekannt ist das Elementare Geschoss AQUAFAXIUS,
an unserer Akademie gelehrt wird der Elementare Wirbel MAHLSTROM,
der jedoch nicht leicht zu beherrschen ist und ob es einen Zauber der
Elementaren Verformung beim Wasser überhaupt geben kann, ist eher
fraglich. Ein hochinteressanter Cantus aus dem Gebiet der Magica
Transformatorica, von dem ich jedoch auch nur sehr fragmentarisches
Wissen besitze, ist der AEROGELEO ATEMQUAL,
der eine Transformation von Luft zu etwas Wasserartigem ermöglicht. Da ich
diesen Zauber jedoch noch nie in Aktion gesehen habe oder Fundiertes
darüber in Büchern finden konnte, ist seine Verbindung zum Element Wasser
reine Spekulation.
Damit soll diese einleitende Vorlesung über das Wasser anlässlich des
efferdheiligen Tages des Wassers geschlossen werden. Wir werden uns in der
nächsten Woche eingehender mit diesem hochinteressanten Element
beschäftigen und dabei auch auf alchimistische, geographische und
natürlich wesentlich detaillierter auf magiohermetische Themen zu sprechen
kommen.
Meisterin Sheddja
von: Markus Penz Erschienen in Opus no. 144 am 3.3.2002.
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