Der Weg des Blutes
Eine Abhandlung über die Verbindung von Leben und
Geist
von
Meister Barius von Charypso, Magister der Academia Limbologica
Fünftes Kapitel
Balsam Salabunde, die gesamte
Magica Curativa, eine Kunst,
verbreitet und geachtet im gesamten Weltenrund, die Macht eines jeden
Magus, die verbotenen Pforten des
Lebens zu öffnen, aber auch die wohl schwärzeste Spielart der
geistigen Künste, die Magie des
Blutes - all diese Wege der Magie haben eines gemeinsam: Sie
vereinigen die Macht des Geistes mit der Kraft des Lebens bzw. überwinden
deren unüberwindbare Grenzen.
Die eine Form der Magie wird nun schon solange praktiziert, wie die andere
gefürchtet ist, und doch konnte mir bis heute noch niemand erklären, und
ich habe viele Diskurse geführt - mit vielen - wie es möglich ist, diese
Schranken zu öffnen, worin diese Schranken bestehen, ja was „astrale
Energie“ und „Kraft des Lebens“ überhaupt sind. Daher habe ich mich
selbst aufgemacht dies zu ergründen, auch wenn ich fürchte, dass für
einen Sterblichen dies gar nicht zu ergründen ist.
Das erste
Kapitel erschien in Opus no. 15, das zweite und dritte in Ausgabe 27 bzw.
28, das vierte erstmals in Opus no. 30, Sonderausgabe.
So stellt
sich nun also die Frage, wie es denn möglich ist die Energie, die in Form
der Lebenskraft an unser Blut gebunden ist, von diesem Blut zu lösen
und anschließend in unsere Aura aufzunehmen.
Ad
primum:
Einfacher ist es, als man meinen mag, die
Lebensenergie vom Blut eines Wesens zu lösen. Gar von selbst geschieht
dieser Vorgang. Alles, was man zu tun hat, ist es, das Blut vom Körper zu
trennen und einige Zeit frei an der Luft zu lassen. Es wird augenblicklich
seine Flüssigkeit verlieren und zu einer festen roten Masse erstarren.
– Ein Zeichen, dass die Energie aus dem Blut entfleucht ist, sich im
wahrsten Sinne in Luft aufgelöst hat.
Ad
secundum:
Nun ist es allerdings nicht unser Wunsch die
Lebensenergie vom Körper eines Lebewesens zu trennen und dann einfach
verschwinden zu lassen. Wir wollen die Energie, die frei wird, für
magische Zwecke benutzen. Dies ist die wahre Kunst der Magie des Blutes.
Zwei Wege stehen uns nun offen. Zum einen können wir versuchen die
freigewordene Energie einfach aufzusaugen und zu unserer Astralen Kraft zu
addieren. Dies jedoch ist schier unmöglich und auch mir bisher noch nicht
gelungen. Wahrscheinlich bräuchte man besondere Hilfsmittel, die es ermöglichen,
die freie Lebensenergie in unsere Aura zu transferieren.
Einfacher ist es jedoch die Energie direkt in dem Augenblick, da sie aus
dem Körper des „Opfers“ entweicht in einen Zauberspruch einzuweben.
Man umgeht damit den komplizierten Vorgang, die Lebenskraft in die eigene
Aura aufnehmen zu müssen. Leider kann man meist nur einen geringen Teil
der befreiten Kraft in den Zauber einbinden, da der Rest viel zu schnell
entfleucht. Um dies zu verbessern habe ich mir nun einige Methoden
ausgedacht. Im Prinzip gilt es zwei Dinge zu versuchen: Es muss möglichst
viel Energie aus dem Blut befreit werden und man muss darauf achten, die
Umweltbedingungen so zu wählen, dass diese freiwerdende Kraft nicht zu
schnell entfliehen kann:
Wie
kann ich möglichst viel der Lebenskraft vom Blute eines Opfers befreien?
»...
Ruhe vor dem Sturm. Der dritte Tag war zu Ende gegangen und mehr Verluste
hatten wir hinnehmen müssen denn an beiden Tagen zuvor. Wir wussten, dass
die Nacht, die Zeit der Erholung kurz sein würde. Schon viel zu weit
hatten uns die Feinde in den Dschungel von Altoum zurückgeschlagen.
Unsere Befestigung war mehr als schlecht und mein dürftiges Feldlazarett
war gefüllt mit toten und solchen, die dem Tode nahe standen. Mir war
bewusst, dass wir einen weiteren Tag nicht durchhalten würden. Die Führer
des Sklavenaufstandes hatten sich schon seit einer Stunde zur
Besprechung zurückgezogen. Ihr Häuptling hieß Ennoiak. Er war ein großgewachsener
Eingeborener der Insel. Fast alle hier im Lager waren Mohaha – bis auf
mich und wenige Thorwaler, auf deren Otta ich gereist war, bevor uns
Piraten in der Meerenge von Sylla und Charypso überfielen und anschließend
als Sklaven verkauften. Der Gestank der verwesenden Körper begann mehr
und mehr meine Sinne zu trüben und beinahe wollte ich alles liegen und
stehen lassen und mich einfach den Gardisten Charypsos ergeben, als ich
lautes Schreien vom Befestigungswall hörte. In der Meinung wir würden
wieder angegriffen lief ich hinaus, doch es waren keine Angreifer, die
sich dem Lager näherten. Es waren zwei Mohaha, die einen dritten auf
ihren Schultern trugen. Sie näherten sich langsam vom Wald her den
Wachen. Als diese die Ankömmlinge erkannten, schrieen sie etwas für
mich, obwohl ich die Sprache der Mohaha gelernt hatte, unverständliches
in den Innenhof des Lagers. Alle Mohaha gerieten in Aufruhr und begannen
sich zu verstecken, andere fielen auf die Knie. Nur der Häuptling stellte
sich mit erhobenem Haupt den Ankömmlingen entgegen. „Sei gegrüßt Ermadrum!“
Der angesprochene alte Mann stieg sodann vom Rücken seiner Träger und
ging ohne ein Wort zu verlieren auf die Mitte der Lagerplatzes zu. Er war
mit bunten Farben bemahlt und durch Nase und Augenlider hatte er sich Stäbchen
aus Holz und Elfenbein gebohrt. Verschiedenste Ketten, Schalen und Zähne
schmückten seinen Körper. „Den Geist des ewigen Feuers müssen wir
rufen. Nur er wird die Feinde vernichten! Hier soll es sein!“ Darauf hin
begannen alle Mohaha Holz und Steine herbeizuschaffen und entzündeten ein
Feuer in Mitten des Lagers. Rund herum legten sie Steine mit den
sonderbarsten Formen und vor dem Feuer errichteten sie einen Altar aus
Holz und Fels.
Nachdem
alles bereit war, stellte sich der Schamane vor den Altar und begann
rituelle Gesänge anzustimmen. Die anderen setzten sich rund ums Feuer,
trommelten auf verschiedensten Gegenständen und tanzten zu den seltsamen
Klängen des Priesters. Plötzlich verstummte dieser und ein Mann aus der
Mitte der Tanzenden trat hervor. Er war stark und tapfer und hatte sich
schon oft im Kampfe bewährt. Nun stand er seiner letzten Prüfung gegenüber.
Ohne zu zögern legte er sich auf den steinernen Altar und schloss die
Augen. Der Schamane begann mysteriöse Zeichen auf seinen Körper zu
malen. Dann griff er in einen Beutel und holte den Zahn eines Feuergottes,
wie er sagte, hervor. Er hielt ihn in die Höhe und rief einen Namen immer
und immer wieder. „Alvafess, Alvafess – nimm Dein Opfer!“ – Der
Drachenzahn in den Händen des Priesters sauste mit selbigen hernieder und
stieß mit ungebändigter Wucht in den Körper des Kriegers. Das Blut
spritzte. Wie durch ein Wunder fuhr der Schamane mit seinen Händen unter
die Haut und die Knochen des Mannes und zog dessen Herz mitsamt dem darin
steckenden Zahn hervor und präsentierte es den anderen. „Irhimooch!“
Erschallte es aus seinem Mund, und dann warf er das Herz in die Glut des
Feuers. Dieses flackerte auf und eine spitze Flamme schoss in den Himmel
„Wer ruft mich hier gekrümmt sodann zu sehen meinen Feuerbann. Welch
Stimme schallte hier zu mir?“ „Irhimooch!“ „So sei es denn – du
willst es so!“ Die Flammen begannen immer höher zu züngeln, die Erde
bebte, als plötzlich ein Knall erschallte, der Boden sich auftat und ein
Schwall von Feuer, heißem Gestein und Lava in den Himmel schoss. In einem
Feuersturm hagelten brennende Steine auf des Feindes Lager herab.
Lichterloh entbrannte es sodann und noch viele Stunden war die Insel
erleuchtet vom hellen Feuer und Asche fiel wie Schnee zur Erde und begrub
die Leichen des Kampfes...«
So
siehe wie viel Macht und Kraft in einem frischen Herzen liegt, wenn du es
nur richtig nützt.
Der größte Erfolg lässt sich erzielen, wenn man nicht das Blut in einem
Gefäß aufbewahrt und während des Zaubers (am besten eignen sich Beschwörungen,
da die freiwerdende Kraft in diesem Fall in den Limbus, der ja geöffnet
wird, entfliehen kann und somit die Öffnung erleichtert) vergießt,
sondern Organe verwendet, aus denen man das Blut sodann herauspresst oder
durch wenige Schnitte mit dem Messer befreit. Ausgezeichnet eignen sich
dafür blutreiche Organe wie Herz, Gehirn oder unter Umständen auch die
Milz, die Leber, oder die Niere. Vor allem erstere bieten sich bei Beschwörungen
an, da sie selbst auch als Paraphernalia verwendet werden können.
»...und
des Blut des Menschs isch fimf mal besser wia vum Fiech...«
So
eignet es sich auch für Beschwörungen und Magie des Blutes allgemein,
jedoch die Götter behüten dies wirklich zu tun, denn ewig schlecht ist
der, der es wagt sich gegen Boron zu stellen.
Wie
kann ich die freiwerdende Kraft daran hindern zu schnell zu entfleuchen?
Die
Zeit sollte keinesfalls am Tag sein, da die Strahlung des Herren PRAios
die freiwerdende Energie sofort wieder neutralisiert und vernichtet.
»...wenn
der dunkle Mond, Madas Antlitz im Schatten, über den Himmel des Todes
steigt...«
Es
sollte möglichst Neumond sein, da die Energie sonst entlang der Strahlung
Madas fortfließen kann.
»...und
Marbo nur auf Dere blickt...«
Wenn
Marbo in den Gestirnen erscheint, ist es dem Beschwörer einfacher seine
Aura zu öffnen – eine gute Voraussetzung.
»...da
wird das Blut in den Adern der Lebenden zu brodeln beginnen und seine
Kraft wird sich befreien und voll Macht wird der sein, dessen Hände sie
zu nutzen wissen...«
Man
sollte sich selbst für die Energie fokussieren, indem man heilige Steine
der MAda oder HESinde
trägt. Auch das Horn eines Einhorns, der Stachel des Manticor, das Haar
eines Kobolds, die Schuppe des Basilisken, der Zahn des Vampirs und der Flügel
einer Fee scheinen gute Leiter zu sein, um Energie aufzunehmen.
»...doch
die Geister des Los und die Kinder der Sumu sind gierig und rauben das
Leben des Menschen zum eigenen Bedarf...«
Auch
sollte der Ort des Rituals weise gewählt sein: Keine anderen Geistwesen
sollten in der Nähe sein, die sich selbst der Kraft bedienen wollen.
Schlecht sind daher Wald, Stadt und andere fruchtbare Gegenden. Wüste,
Berg, Höhle und Einöde eignen sich dafür umso besser.
Aber
Magus sei gewarnt, ist Wissensdurst in dir entbrannt. Lass dich nicht verführen
an dies Wissen leicht und ohne Scham zu rühren. Wisse: Der Schamane, von
dem ich erzählt, kam noch in der selben Nacht ums Leben. Ein Wind kam nämlich
auf und trug manches des feurigen Gesteins, das vom Himmel auf die Feinde
fiel, auch zu uns. Und der Geist nahm zu sich ins Feuer den Schamanen und
noch drei der Mohaha, denn Geister heißen nicht gut, wenn ein Mensch die
Gesetze der Götter vergisst.
von: Daniel Junker Erschienen in Opus no. 31 am 29.8.1999 als Reaktion oder Fortsetzung zu Der Weg des Blutes - Teil IV.
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