ACADEMIA LIMBOLOGICA publicat
Opus veritatis scientiæque
seit Praios 29 Hal


Sehr geehrte Collegae et Collegi, liebe Studiosae et Studiosi,
Ich danke Euch allen für die freundliche Aufnahme in den Hallen der ohne Zweifel hesindegefälligen Academia Limbologica. Für meine Erstvorlesung wähle ich ein Themengebiet, das mir sehr am Herzen liegt:

Libertas ex pietate
Freiheit durch Glaube

Lasst mich mit einem Bild beginnen: Ich schwebe als Adler – der Zauber, nehme ich an, ist bekannt – über die schönen Rundungen Sumus. Ich tauche in die weiße flaumige Wolkendecke ein und komme schließlich über den Wolken heraus. Blauer Himmel und das Praiosrad leuchtet in seiner ganzen Macht und gleißenden Schönheit.
Ohne Zweifel: Freiheit ohne Grenzen! Doch wirklich ohne Grenzen?
Ist nicht die Sonne die eine, der Boden die andere Grenze? Und ist es nicht natürlich und logisch in diesen Grenzen zu bleiben und sich an sie zu halten. Würde der Adler, wenn er zu weit auf Praios’ Antlitz zufliegt nicht verbrennen oder würde er nicht abstürzen oder ertrinken, wenn er dem Boden oder dem Meer zu nahe kommt?

Doch kehren wir zurück zu meinem Flug als Adler. Ich fliege also über Dere. Die Wolkendecke wird wieder dünner bis sie ganz verschwindet. Plötzlich sehe ich eine Ansiedlung unter mir; es ist ein Fischerdorf an der Nordküste des Meeres der Sieben Winde. Ich gehe tiefer und schaue hinunter in das Treiben der Gassen und Plätze. Da sieht man blonde Hünen, die ihre Haare zu Zöpfen gebunden haben, und von denen einer die Kraft von zwei Mittelreichern hat. Viele sind am Hafen bei ihren Schiffen. Thorwaler, eines der stolzesten Völker Aventuriens, und bekanntlich sind sie besonders stolz auf ihre unbegrenzte Freiheit auf See, auf ihre Gelage, kurzum: Auf ihr ganzes Leben.
Nun stellen wir uns die Frage: Sind sie wirklich frei?

Nach genauerer Betrachtung müssen wir dies negieren!

Ad locationem primum: Auf dem großen weiten Meer? Ja, es stimmt. Das Meer ist groß und weit und wohl mehr oder weniger ohne Grenzen. Doch nicht die, die auf ihm fahren. Sie sind beschränkt auf einen sehr engen Raum – nämlich auf ihr Schiff. Auch haben sie nicht die uneingeschränkte Freiheit überall hinzufahren, denn das Wetter und die See können auch sie nicht beeinflussen.

Ad locationem secundum: Bei ihren Festen, wo alles erlaubt und nichts verboten (oder eingegrenzt) ist? Ich weiß, dass Thorwaler einiges von RAHjas Rausch leicht vertragen, doch es kommt bei jedem – sine exclusio – irgendwann der Zeitpunkt, wo dies nicht mehr der Casus ist. Und dann, spätestens dann frage ich mich: Wo liegt ihre Freiheit, wenn sie sich nicht mehr rühren können und unter den Tischen liegen?

Ich darf dazu aber sagen, dass "die Thorwaler" natürlich ein zu verallgemeinerndes Collectiva ist, da es sicher Thorwaler gibt, die sich nicht ganz dem Alkohol ausliefern – ad exemplum die hochgeschätzten Magi et Magae, die bei uns zu Besuch waren. (Opus no. 8)

Also auch dieses vermeintlich so freie Volk muss sich Regeln, Gesetzen und Gewalten unterwerfen und durch sie begrenzen lassen und überdies sind – wie ich meine – ihre Grenzen ziemlich eng!

Doch auch hier möchte ich nicht verweilen. Weiter geht die Reise über Felder, Wälder, Steppen, über kleine Dörfer, die wie verstreute Erbsen aussehen und große Städte wie belegte Fladenbrote. Mein nächstes Ziel ist eine Ansammlung von Menschen, Kulturen und Religionen, alle auf sehr engem Raum beisammen, eine große Stadt also. Ich umkreise sie und sehe das Armenviertel mit seinem Dreck, das Bürgerviertel mit seiner Einfachheit, sehe die Tempel der Götter als Edelsteine herausleuchten und sehe das Viertel der Reichen und Adligen. Mitten in diesem erhebt sich stark und mächtig eine Feste. Ein prächtiges Schloss – zum einen wehrhaft und schützend, zum anderen kunstvoll geziert und pompös herausgeputzt.
Es ist inzwischen Nacht geworden. Aus den Fenstern der Burg und ihrer Türme und Türmchen flackert Lichtschein. Ich entscheide mich für den höchsten und stärksten Turm und lasse mich auf einem Sims nahe einem hell erleuchtenden Zimmer nieder.
Ich spähe hinein und sehe einen großen Saal mit hunderten von Kerzen beleuchtet. An einem Ende des Saales sitzt auf einem Mohagonithron ein Mann in prunkvollem Gewande gekleidet. Hinter ihm seine Frau, wunderschön und treu. Ein großer Hofstaat, dessen einzige Aufgabe es ist, dem Fürsten zu dienen. Dieser Fürst herrscht über ein großes Land und hat die Macht und die Gewalt über die Menschen, Tiere und alle anderen Dinge in seinem Land.

Ist er frei? Kann er tun und lassen, was er will?
Nein, auch er muss sich Grenzen unterwerfen. Und nicht nur den Landesgrenzen, nein auch Grenzen, die man auf den ersten Blick nicht sehen kann – inneren Grenzen! Er ist wohl reich und kann sich alles leisten, doch hat er auch eine große Bürde zu tragen, die ihm keiner abnehmen kann und die ihn mehr einschränkt, als den einfachen Bauern die Gesetze und der Stand. Er hat Verantwortung für sein ganzes Land und damit auch für seine Untertanen. Er muss gerecht sein und ohne Fehl und Tadel (oder sollte wenigstens den Schein wahren). Und auch der Hofstaat, der ihm ja eigentlich dienen soll, zwingt dem Fürsten die Regeln eines so komplexen, von den Menschen selbst eingeführten Systems auf. So ist die Hauptaufgabe – nämlich das Land zu regieren – um vieles beschwert und auch wieder eingegrenzt durch Etikette und sogenannte "Hofpflichten".
Außerdem darf man auch nicht vergessen, dass jeder Fürst wiederum einem anderen Herren dient und wenn nicht – denken wir nur an die Kaiserin – dann wenigstens den Göttern und das ist wohl die kleinste Grenze.

Denn die Götter geben uns die Grenzen wohl um freier zu werden...

Doch ich erhebe mich noch einmal von meinem Nachtlager und fliege fort, lasse die Stadt, die Burg und die Leute darin hinter mir. Ich fliege in ein Gebirge, das so majestätisch und uralt scheint, dass Ehrfurcht über diese Schönheit und über dessen Alter in mich strömt. Plötzlich sehe ich aber in dieser mächtigen und unbezwingbaren Natur ein Gebäude – wohl auch schon älter als alle Lebenden in ihm. Ich gleite lautlos näher und sehe Menschen in Roben ihren Studia nachgehen. Ich komme näher und sehe EUCH. Ja, uns sehe ich in EURER Academia Limbologica, wie ihr nach WISSEN und ERKENNTNIS strebt. Und ich denke bei mir: Dies sind Menschen, die dem "frei sein" sehr nahe sind. Denn auch wenn ihr es nicht in eurem Bewusstsein merkt, ihr arbeitet fortwährend an eurer Freiheit.

Ihr werdet fragen: "Warum, wir müssen studieren, Zauberformeln nach genauen Regeln und Riten erlernen, müssen uns an die Bräuche der Akademie halten und an die altehrwürdigen Normen, denen ein Magus sowie eine Maga gerecht werden muss. Wir sind von Grenzen umgeben!"

So sage ich euch: "Alle streben nach äußerlicher Freiheit, aber nicht nach der Freiheit des Geistes und nur darin kann die wahre Freiheit liegen. Die Zwänge und Grenzen, denen ihr ausgesetzt seid, sind äußerliche Zwänge und Regelungen. Doch ihr seid frei oder werdet noch frei werden durch euer WISSEN und euren VERSTAND."

Eine weitere Frage eurerseits könnte nun lauten: "Wie kann man diese Gabe des freien Geistes erlangen?"

Ich sage euch: "Es gibt nur einen Weg: Das Einhalten von Gesetzen und Regeln, die euch auferlegt werden, dient euch, indem ihr euch auf das WESENTLICHE konzentrieren könnt."

Und ihr werdet weiters wissen wollen: "Was ist das Wesentliche?"

"Das Wesentliche ist das Streben nach Wissen und Erkenntnis. Durch unsere Herrin HESinde ist uns Menschen der Verstand gegeben. Sie schenkt uns das Werkzeug um frei zu werden. Und nur durch den GLAUBEN, durch die Wahrung der HEILIGEN GESETZE und durch die DEMUT und TREUE zu IHR, der HERRIN der WEISHEIT, können wir freier werden als das WASSER im Meer, der WIND in der luftigen Höhe, das EIS auf den Spitzen der Berge, das FEUER in der Glut des Vulkans, der FELS im Herzen des Gebirges und die ERDE auf dem Antlitz Deres.
Nun so sollt ihr sehen, welch Geschenk euch die Göttin gemacht!
Und meditiert darüber. Meine Gedanken sind nicht das einzig Wahre, sie sollen ein Anstoss sein darüber zu sinnen und zu verstehen. Ein Anstoß, um der Freiheit immer näher zu kommen."

Ich danke euch im Namen der Göttin HESinde für eure Aufmerksamkeit und gebe euch hiermit IHREN Segen mit, dass sie Schutz und Schirm über dieses Haus lege, so sie Euch niemals vergesse und ihr sie nicht.

Argelia, Geweihte der Göttin

von: Christoph Huber
Erschienen in Opus no. 18 am 16.5.1999.



Die Dunkle Pforte
Weitere Erkenntnisse in Zusammenhang mit der Bibliothek

Mittlerweile dürfte auch der letzte Zweifler überzeugt, die letzte Fragende zum Schweigen gebracht worden sein. Zumindest waren sich alle Anwesenden einig, als es bei der letzten Sitzung des Akademierates darum ging, den Ursprung der dunklen Pforte im uns bisher verborgen gebliebenen Untergeschoß unserer Bibliothek zu klären (Der Opus berichtete in Ausgabe XIV - Stille Halle, Dunkle Pforte). Das Tor, welches Meisterin Sheddja, Meister Achmed und meine Wenigkeit am Ende der Treppen entdeckt hatten war definitiv dämonischen Ursprungs - und wir konnten uns alle recht gut vorstellen, in welche Domäne das dämonische Wirken fiel.
Und doch blieben noch einige Fragen ungeklärt, welche ich nun dem geneigten Leser zu erläutern versuche:
Da war ad primum einmal die Frage nach dem Kellergeschoß überhaupt, also wann es erbaut wurde, von wem und wie weit es sich erstreckt; auf Zweck und Ziel der unterderischen Bauten würden wir wahrscheinlich noch früh genug und wohl eher unfreiwillig stoßen. Die ersten Fragen ließen sich durch das zu Rate ziehen eines zwergischen Baumeisters aus Methumis klären, wenn dieser auch einige Zeit brauchte, bis er uns folgendes mitteilen konnte: Die Kelleranlagen unserer Akademie waren früher wohl das Fundament eines weitaus größeren Gebäudes, als es heute besteht. Was Väterchen Xendrasch allerdings mit "früher" meinte, das versetzte uns alle ins Staunen, denn er selbst konnte seine Stammbaum nicht so weit zurück verfolgen; er datierte die Erbauung des Kellergeschoßes auf "die Herrschaft des dreizehnmal verfluchten güldenen Gottdrachen". "Auf jeden Fall", so meinte er weiters, "sind Echsen am Bau beteiligt gewesen." Leider war es Väterchen Xendrasch nicht möglich, die Ausmaße des Kellergeschoßes genau zu bestimmen, doch er vermutete, dass - wie bereits oben erwähnt - das Fundament weitaus größer sei als die jetzige Akademie.
Ad secundum stellte sich uns die Frage nach der Beschaffenheit jener dunklen Pforte, welche mit dem Namen eines Niederen Dämonen aus der Domäne des Herren der Rache in Zhayad-Glyphen beschriftet war. Auch hier konnte uns Väterchen Xendrasch teilweise behilflich sein, denn er wusste zu sagen, dass jene Pforte erst im Nachhinein an eben dieser Stelle angebracht worden war. Was uns also noch zu tun blieb, war ein mühsames Durchsuchen all der Aufzeichnungen aus vergangener Zeit, welche den Umbau unseres Akademiegebäudes betrafen. Hochwürden Argelia schien selbst dabei auf HESindes Beistand vertrauen zu können und so hielten wir bereits nach drei Stunden anstrengender Suche im Chaos unserer Behilfs-Bibliothek das gesuchte Buch in Händen. Wie wir diesem entnehmen konnten, wurde das Portal während der Zeit der Magierkriege erbaut. Damals haben sich - so die schriftlichen Aufzeichnungen des damaligen Akademieleiters - einige schreckliche Vorfälle in der Räumlichkeiten der Bibliothek ereignet (von einem dieser Vorfälle wurde in Opus no. 6 - "Das Grauen in der Bibliothek" berichtet), sodass man sich gezwungen sah einige Artefakte und Bücher in periculo per academiam sicher zu verwahren. Wie wir weiters folgerten, wurde also diese Pforte zum Schutze der Akademie errichtet und der Zugang zu ihr offensichtlich zugemauert - der darüberliegende Raum allerdings weiterhin als Bibliothek genützt.
Diese Erkenntnisse brachten uns schon einen Schritt weiter, doch zufriedenstellend war das Ergebnis noch lange nicht. Und so richtete sich unsere dritte Frage auf das Schloss der Pforte, ergo also auf den schmalen Spalt in ihrer Mitte.

Hier ist eine kurze Anmerkung in puncto Zeitdauer unserer Forschungen notwendig, denn hatten wir bis jetzt all unsere Erkentnisse in etwa einer Woche erfahren, so sollte uns das nun Folgende weitaus länger beschäftigen. Während der gesamten Zeit, in welcher Meisterin Sheddja und Meister Achmed mit mir gemeinsam das Geheimnis der H-S-T Glyphen und des darunter liegenden schmalen Spaltes in der Pforte zu lüften versuchten, schien uns eine unsichtbare Macht daran hindern zu wollen. Und zu allem Überfluss verweigerte uns auch noch Meister Barius, welchen wir als Spezialisten für dämonische Angelegenheiten um Rat fragten, jedwede Hilfe. Er schien etwas zu wissen, was er uns - noch - nicht preisgeben will, und es brauchte einige zeitaufwendige Gespräche, um ihn zumindest von der Sinnhaftigkeit unserer Forschungen zu überzeugen.

Doch kehren wir zu der eigentlichen Fragestellung zurück: Wie hatten die Magi et Magae zur Zeit der Errichtung dieser Pforte dieselbe versiegelt und dadurch das dahinter Liegende vor unerwünschten Eindringlingen - und was fast noch wichtiger scheint - sich selbst vor dem, was sich jenseits der Pforte verbarg, geschützt? Nun, es musste sich wohl - wie bereits erwähnt - um eine dämonische Art der Sicherung handeln, welche jedoch selbst für Dämonologen ein beträchtliches Hindernis darstellen sollte. Es brauchte einige Zeit der Überlegung, etliche Diskussionen und zwei weitere magische Analysen der Pforte bis wir es endlich herausgefunden hatten. Es war ein raffiniertes System der Sicherung, welches nur wahrhaft machtvollen Magi et Magae erlauben sollte, die Pforte zu öffnen, auf dass sie genug KRAFT besaßen, das dahinter Liegende zu bewältigen. Man benötigt ein Paraphernalia, welches - sobald man es in den schmalen Spalt am unteren Teil der Pforte steckt - dieselbe zur Öffnung freigibt, wie wir vermuten. Und allem Anschein nach handelt es sich bei besagtem Paraphernalia - dies teilten uns wohl die drei H-S-T Glyphen und das Bild eines Schwertes mit - um das SCHWERT DES HESHTHOT.
Dem Leser sei noch berichtet, dass Meister Barius auf das Ergebnis unserer Forschungen einzig und alleine mit einem Kopfnicken und einem "So holt mich die Vergangenheit nun doch wieder ein." reagierte.
Möge HESinde uns Weisheit schenken!

 

Großmeister Erilarion Androstaal

von: Philipp Schumacher
Erschienen in Opus no. 18 am 16.5.1999 als Reaktion oder Fortsetzung zu Stille Halle, Dunkle Pforte.
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Die Pforte.


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