Tractatus betreffend die Natürliche &
Übernatürliche Philosophie des Gaius Cordovan Eslam Galotta
Partum IV
Im folgenden Artikel präsentiere ich der geneigten Leserschaft des Opus
die Arbeit eines bislang völlig unbekannten Autors, des adeptus minor
Eborëus Zachariad, welcher vor auf den Tag genau einundzwanzig Jahren
Aufnahme fand in den Hallen unserer Akademie. Voll Staunen und ehrlicher
Bewunderung, aber auch mit väterlicher Fürsorge verfolgte ich von da an
den Werdegang meines mir anvertrauten Schützlings. Von Jahr zu Jahr
stellte sich immer deutlicher die einmalige Begabung des adeptus Eborëus
heraus, welcher von HESinde mit einem alles
durchdringenden Geist und Verstand gesegnet war. Und so möchte ich -
nicht ohne Stolz - die Abschlussarbeit des adeptus minor Eborëus
Zachariad hier in meinem Namen veröffentlichen.
Zum Werk an sich muss noch gesagt werden, dass - als ich dem adeptus diese
doch recht schwierige Aufgabe stellte - ich niemals erwartet hätte diese
Brillanz sowohl in den Worten, aber noch viel mehr in den Gedankengängen
meines Schülers vorzufinden, eine Brillanz, welche ich hoffe auch von der
Leserschaft erkannt zu werden. Die Arbeit ist im weitverbreiteten
Responsium (-Stil) gehalten, welcher bedingt, dass auf ein Zitat aus dem
Originalwerk jeweils Stück für Stück geantwortet wird.
So bleibt mir nur noch dem Leser ebensoviel Spaß und Freude an der göttergefälligen
Lektüre dieses Artikels zu wünschen, wie ich sie hatte, als ich dieses
Werk zum ersten Mal in Händen hielt.
Großmeister Erilarion Androstaal
Das folgende Traktat aus dem Nachlass des G.C.E.Galotta, vormals
Hofmagus zu Gareth, stellt eine interessante und offenherzige, wenn auch götterlästerliche
Formulierung seiner verworrenen Gedanken dar, von denen sich der Autor des
vorliegenden Werkes hiermit in aller Deutlichkeit distanzieren möchte.
"Ergo folgere ich 1tens, dass ein
Gott, dessen Verehrung schwindet, auch an Macht in unserer Sphäre
verliert, so stark sogar, dass er in seiner Heimat gebannt werden kann –
ein Vorgang, welcher bisweilen als 'Tod eines Gottes' bezeichnet
wird;"
Es mag wohl so sein, dass manche unter den Zwölfen bei weiteren Teilen
der Bevölkerung Verehrung finden als andere, doch was die einen an Menge
und Zahl erreichen, das machen die anderen wiederum durch die Inbrunst und
Glauben wett. Es kann ein einfacher Bauer dem Herren P RAios
niemals derart reiche und überschwängliche Gaben darbringen, wie dies
ein Ehrenmann von Adel wohl vermag, doch ist es dem Bauer möglich der gütigen
PERaine die Früchte und Erträge
seiner Arbeit zu opfern, einer Arbeit, der ein Edelmann wohl niemals
nachkommen wird.
Natürlich gibt es Zeiten, in denen besonders eine Göttin
stark verehrt wird, doch ist dies in weiser Voraussicht so eingerichtet.
Auf Krieg folgt Frieden, auf Tod und Hunger der Wiederaufbau.
Was den "Tod eines Gottes" anbelangt, so verweise ich hier –
wohl zum zehnten Male schon – darauf, dass der werte Herr Galotta sich
selbst hier widerspricht: Ein unsterblicher Gott kann per definitionem
nicht sterben!
"2 tens, dass eine kleine
Gruppe fanatischer und inbrünstiger Verehrer unter Zuhilfenahme von
Menschen- und Selbstopfern eine Religionsgemeinschaft zu schaffen vermag,
die an Macht in nichts den Zwölfen nachsteht."
Wie Menschenopfer überhaupt eine Stärkung göttlicher Macht fördern,
wenn nicht gar bewirken sollen, diese Erklärung bleibt man uns hier
schuldig, aus einem ganz einfachen Grund: Eine derart götterlästerliche
These vermag man nicht zu erklären noch zu beweisen. Was mir bislang über
den – hier wohl angesprochenen – Kult des Namenlosen Gottes bekannt
ist, deutet darauf hin, dass es bei eben diesen Opfern lediglich um das
Blut der Verruchten geht, welches dann wohl als Paraphernalium zu Zwecken
einer Beschwörung oder ähnlichem dienen mag.
"Der finale Schluss aus diesen Folgerungen ist der, dass zur
Schaffung eines Gemeinwesens freier Geister jegliche Form religiöser
Verehrung zu untersagen, respektive durch Bildung zu vermindern ist. Dies
bietet gleichermaßen ein Mittel gegen den perversen Kult des Namenlosen,
der an Kriecherei in nichts zu überbieten ist."
Oh Götter, welch finaler Schluss! Ein Leben ohne euch, zu einem
"muss" für alle Menschen zu machen. Erst hier, im letzten Teil
seines Tractatus kommt die wahre Absicht Galottas ans Licht. Doch selbst
in diesem Punkt ist er nicht geistig so umnebelt, ein Leben ohne Götter
als die Lösung schlechthin darzustellen, nein, er versucht noch einmal
den Leser von seinen – anscheinend – guten Absichten zu überzeugen,
indem er sogleich hinzufügt, dass damit wohl auch der Namenlose Gott in
seine Schranken verwiesen würde.
Galotta denkt, er hätte das Grundprinzip des Weltengefüges
durchschaut, er hätte gar das Mysterium von Kha selbst gesehen, aber dem
ist nicht so! Ich sage: Jeder einfache Bauer versteht mehr vom Weltengefüge
als dieser verblendete und größenwahnsinnige Magus.
Finis
adeptus minor Eborëus Zachariad von: Philipp Schumacher Erschienen in Opus no. 35 am 26.9.1999 als Reaktion oder Fortsetzung zu Tractatus betreffend die Natürliche & Übernatürliche Philosophie des Gaius Cordovan Eslam Galotta - Partum III.
Responsum et correctura:
Responsio de errore filiae et filii satuariae
Von Magister Magnus Isandrian Magnisfexus Desgrandan
Halle der Metamorphosen und Transmutationen, wie sie Unserer Herrin HESinde
und den Meistern der Elemente wohlgefällig sind, gestiftet zu Kuslik von Seiner weisen
Magnifizenz Rohal I, vormals Academica Magica Mutanda Forumque Metamorphoses Cusliciensis - Akademie der verändernden Magie und
Halle der Metamorphosen zu Kuslik
Die allweise Herrin HESinde zum Gruße!
In diesem Artikel möchte ich meine persönliche Meinung zu dem oben genannten
Elaborat im Opus äußern.
Mit der im diesem Artikel angesprochenen Gruppe von Zauberkundigen habe ich mich im Rahmen meiner Vorlesungen und Seminare zur Magothetik ebenfalls
beschäftigt. Aus eigener Erfahrung, die einer langjährigen Freundschaft zu einer der Töchter Satuarias entspringt, glaube ich hierzu einige Dinge
anmerken zu müssen.
Seine Spekt. Gorn Of Dagon bemerkte ja gleich zu Beginn seines Elaborats, dass
er den filiae et filii satuariae sehr negativ gegenübersteht. Deswegen wage ich es auch zu behaupten,
dass seine Untersuchungen nicht vollends objektiv seien können.
Schon die Behauptung im Besitz zweier "Versuchsobjekte" zu seien, spricht eine eindeutige Sprache. Seine
Spekt. sieht ganz offensichtlich die Hexen
nicht als Menschen an, sondern als beliebige Versuchsobjekte, denen jedes Recht auf Freiheit, Individualität und Gerechtigkeit abgesprochen werden
kann. Das zeigt ja letztendlich ganz deutlich mit welcher menschenverachtender Einstellung seine
Spekt. an die Erforschung der
Hexen und Hexer herangetreten ist.
Dieses Vorgehen entspricht in keiner Weise den hesindianischen Prinzipien, die ich seit meinem Beitritt zu der altehrwürdigen Halle der Metamorphosen zu
Kuslik, als heilig und unantastbar erachte!
Nun zu den einzelnen Punkten:
ad primo:
Seine Spekt. sieht in den Zirkeln der Hexen keine Vereinigung sondern einen
Kult.
Diese Unterscheidung ist in gewisser Weise völlig überflüssig. Es spielt gar
keine Rolle ob die filiae et filii satuariae sich als Zirkel oder als Kult bezeichnen, denn entscheidend ist nicht, wie
eine wie auch immer geartete
Vereinigung von Zauberkundigen sich nennen mag, sondern ganz allein, was sie
beabsichtigt! Das Ziel der Hexenzirkel ist schlicht und ergreifend das kommunizieren von Wissen!
ad secundo:
Völliger Humbug und dient allein dazu den Kult oder auch die Zirkel der
Hexen in Verruf zu bringen!
Ein an den Haaren herbeigezogenes Argument um die unmenschliche Jagd auf die
Hexer und Hexen zu rechtfertigen!
Ein wahrlich fadenscheiniges Vorgehen!
ad tertio:
Richtig. Die Flüche sind ohne Ausnahme dazu geeignet einer anderen Person
Schaden zuzufügen. Richtig!
Aber: Wollen wir wirklich eine Gruppe von Zauberkundigen deswegen verdammen,
weil sie über arkanen Thesen verfügt, die anderen schaden?
Wenn ja, dann sollten wir uns aber selbst fragen, was wir denn tun? Besitzen
nicht die Gildenmagier die größte Sammlung an destruktiver arkaner Thesis von ALLEN Zauberkundigen?? Ist es nicht die Zunft der Gildenmagier, die zum
Beispiel "harmlose" Kampfzauber der Elfen in wesentlich mächtigere, destruktivere, vernichtendere und zerstörerische cantae magae
transformierten?
Soviel also dazu.
Aber das Repertoire der Hexen besteht ja in keiner Weise nur aus den Flüchen! Ganz im Gegenteil! Das Volk der Hexen kennt durchaus eine Reihe
anderer mächtiger Sprüche, die dem Wohle anderer dienen!
Zu den Charaktereigenschaften:
Wie gut Eure Spektabilität, dass es unter uns Gildenmagiern keine mit falschen Stolz gibt! Ich habe auch noch nie von jähzornigen, reizbaren oder
unberechenbaren Magiern gehört! Wie gut, dass wir alle ein Musterbeispiel für
gelebte hesindianische Prinzipien sind!
Hah! Einfach lächerlich! Das Vorgehen, von zwei Mitglieder des Hexenvolkes auf das gesamte zu schließen ist absolut unwissenschaftlich, statistisch
gesehen völliger Unsinn, ich neige sogar zu dem Wort "Schwachsinn", und obendrein völlig gegen die Prinzipien der umsichtigen und allwissenden
Herrin HESinde.
Zur Methodik der Wissensgewinnung:
Es ist ja bezeichnend, dass seine Spekt. nicht das Gespräch, die Disputio oder die Diskussion, wie sie unserer Herrin
HESinde gefällig ist, suchte,
sondern, möge HESinde ihm verzeihen, gleich die possibilitas der magica
clarobservantia bemühte.
Dieses lehne ich entschieden ab und möchte hierzu gleich anmerken, dass ich
solches Verhalten als unmenschlich, als Frevel an dem anderen, als Lästerung
der Götter betrachte!
Zu den Conventen:
In der Tat feiern die Hexen ein wildes rauschendes Fest. Es mag ja sein, dass
es sich in Euren Augen, um ein wilde Orgie handelt. Dem will ich hier auch gar nicht widersprechen! Aber mir ist bisher noch nicht bekannt gewesen,
dass es dort zu erzwungenem Verkehr kommt.
Wäre denn dem so, dann wäre es ein entschiedener Frevel an den Gaben RAHjas.
Da muss ich Euch in der Tat recht geben. Aber auch hier sollten wir die Augen ein wenig öffnen und uns umschauen. In
wie vielen Familien, was glaubt ihr, nimmt sich der Mann seine Frau auch gegen den Willen?
Vielleicht solltet ihr Menschen des öfteren mal vor der eigenen Haustüre kehren, als den Dorn im Auge der anderen zu suchen, obwohl im eigenen ein
wahrer Balken steckt!
Richtig, die Hexen huldigen Levthan. Damit ist in der Tat der Mannwidder gemeint. Es ist richtig, dass es den besagten Levthanstern
gibt und der auch die genannte astrologische Bedeutung hat. Aber, vielleicht sollte man nach
dem Ursprung dieses Namens und der damit verknüpften Eigenschaften fragen? Hat dort jemand vielleicht diesen Stern nach Levthan benannt und die
klischeehaften Vorurteile gegenüber dem Volk der Hexen diesem zugesprochen?
Möglich, nicht wahr? Das Volk der Elfen verbindet zum Beispiel keine ähnlichen Ideen mit diesem Stern am nächtlichen Himmel!
Richtig, Hexen sind keine Rasse. Es sind Menschen. Und Menschen behandelt
man wie Menschen! Vergesst das bitte nicht Eure Spektabilität, denn ansonsten wird
HESinde über Euch richten! Und das Wohlgefallen des gerechten
Herrn PRAios werdet Ihr sicherlich auch nicht erhalten!
Das beste aber kommt ja wie so oft zum Schluss! Nicht nur dass ihr die Hexen
auf eine Ebene mit den Orks oder den Goblins bringt, nein... Ihr verdächtigt
sie auch der Kollaboration mit dem der keinen Namen hat. Das ist ja nun völliger Unsinn. Wie auch das meiste zuvor, bedauerlicherweise.
Den Hexen liegt es, meiner Meinung nach, völlig fern Verderben, Leid und
Schmerz über die Menschen zu bringen.
Auch wenn ich das Gefühl habe, dass ich hier in dieser Postille damit etwas
gegen den Strom schwimme, möchte ich auch mal auf die guten Seiten der Hexen
verweisen!
In wie vielen kleinen Orten, Dörfern und entlegenen Flecken leisten die Hexen
nicht unschätzbar wertvolle Dienste als Heiler!? Wie oft helfen die Hexen nicht
bereitwillig ohne Bezahlung, ohne Entlohung? Ja, das wird nicht gern gesagt! Ist es doch einfacher die Hexen als willkommenen
Sündenbock zu
behalten! Eine Missernte, ein Überschwemmung oder was auch immer, es sind die
Hexen gewesen! Das macht alles einfacher... ist es nicht so?
Ich will hier keine Hohelied auf die Hexen singen, aber ich möchte an dieser
Stelle mal ganz deutlich sagen, dass ich glaube, dass die Hexen keinen Deut schlechter oder besser sind als die anderen Menschen dieses Landes! Sie
haben Schwächen, Stärken und Fehler! Sicherlich, aber sie haben auch ihre guten Seiten, wenn sie an den Orten, in die sich die Heilmagier mangels
Lukrativität selten verirren, eben jene Aufgabe als Heiler wahrnehmen, oftmals sogar ohne jede Entlohnung!
Selbstverständlich stehe ich zur weiteren Diskussion zur Verfügung. Entweder
hier in dieser Postille, oder aber auch direkt vor Ort. Jeder der über dieses ein wenige mehr erfahren möchte und sich rechter hesindianischer
Forschungen befleißen möchte, ist herzliche eingeladen die Halle der Metamorphosen zu Kuslik zu besuchen.
Mit freundlichen Grüßen
Magister Magnus Isandrian Magnifexus Desgrandan von: Philipp Schumacher Erschienen in Opus no. 35 am 26.9.1999 als Reaktion oder Fortsetzung zu Responsio de errore filiae et filii satuariae.
Zu diesem Artikel erschienen folgende Reaktionen oder Fortsetzungen: Correctura parata: Responsio de errore filiae et filii satuariae, Tractatus ad Collegi Magister Magnus Isandrian Magnisfexus Desgrandan et Spectabilitas Gorn Of Dagon.
ACADEMIA
LIMBOLOGICA
Die Pforte V
Beilage zu
Opus no. 35, der 29. Phex 29 Hal.
Noch sind die Rätsel um die Pforte unter der Bibliothek der Academia
Limbologica nicht gelüftet. Die Ereignisse der letzten Zeit warfen ganz im
Gegenteil neue auf und noch immer ahnt niemand, was wirklich vor sich geht...
Um das Gedächtnis wieder aufzufrischen:
Der Großmeister verschwand in den Fluten klebriger, zäher Flüssigkeit vor dem
Portal, die Magi Thundar Hurlemanoff und Rukus Ambrosius konnten ihm bisher
nicht helfen. Und vor der Bibliothek begann Meister Achmed einen Elementargeist
der Lüfte herbeizurufen...
Das Seil! Er muss es losgelassen haben, denn es hängt jetzt schlaff in die
Flüssigkeit hinein. Als Rukus daran zieht, kann er keinen Widerstand spüren.
Der Großmeister bleibt verschwunden - und auch die zwei verbliebenen Magier
sollten so schnell wie möglich hier raus! Doch Thundar fängt schon wieder an zu
zeichnen.
Vor den Augen Rukus' entsteht ein Pentagramm in der zähen Oberfläche der
Flüssigkeit, die fast den ganzen Raum vor dem Portal füllt und den zwei Magi
darüber kaum noch Platz lässt. Die Einwände seiner Collegi wischt Thundar mit
rüder Geste beiseite. Kaum ist er fertig, beginnt er den Cantus PENTAGRAMMA
DRUDENFUSS zu rezitieren - schließlich handelt es sich bei jener den Raum immer weiter
anfüllenden Flüssigkeit um eine höchstwahrscheinlich dämonische Präsenz!
Die Sekunden verrinnen...
Mit starrem Blick sieht Thundar auf das Pentagramm hinab, das langsam zerläuft. Kein Hauch
rührte sich und durch das laute Plätschern hindurch ist auch nichts zu hören...
außer... war da ein Schrei, ein Brüllen hinter dem Portal? Nein, Einbildung! entscheidet Thundar
für sich und sieht sich hektisch um. Was jetzt? Wie kann man dem Großmeister helfen?
Plötzlich bleibt Thundars Blick an seinen eigenen Händen hängen. Er dreht den Ring mit dem
großem Rubin, den er an seiner Hand trägt, und rezitiert auf Alttulamidya:
"Kraft des Feuers steh mir bei!"
Plötzlich knistert und wabert die Luft vor den zwei verbliebenen Magi vor Hitze und Teile der
Flüssigkeit werden aufgelöst und verflüchtigen sich. Eine Vertiefung entsteht im fast ganz
gefüllten Raum und in ihr schwebt plötzlich eine mächtige Flamme... zwei Augen sind darin zu erkennen und mit der Zeit bilden sich Arme, ein Kopf und sogar Finger bis ins kleinste Detail... "Was ist dein Begehr Meister?" haucht der Dschinn und ein Schwall von Hitze
fährt über die Magi hinweg, die hustend Atem schöpfen, den sie nur ungenügend
erhalten. Doch Thundar fasst sich schnell und sagt:
"Schütze Erilarion, den Großmeister, der soeben vor unseren Augen hier versunken ist, um jeden Preis!" - "Dein Wunsch ist mir Befehl!" und mit
ohrenbetäubendem Zischen verschwindet der Dschinn im zähen Medium, bringt es zum kochen und brodeln.
Heiße Fontänen steigen auf, doch kein Dampf...
Thundar und Rukus werden von einem heißen Luftstrom nach hinten gedrängt, fast von den Beinen geholt und weichen nun ganz in die stille und dunkle Bibliothek
- die letzten Stufen der Treppen hinauf - zurück... und hoffen darauf, der Dschinn
möge Erilarion noch lebendig finden. Dann ebbt der plötzliche Sturm ab und nahe, ganz nahe,
spüren die Magi elementare Hitze - als stünden die eigenen Roben in Flammen! Und als sie sich panisch umdrehen,
unfähig etwas zu hören oder zu sehen, sticht ihnen auf einmal ein roter Blitz in die Augen, der ebenso schnell verschwunden ist, wie er
aufgetaucht war.
Dunkelheit umhüllt die Magier, als sie hastig nach dem Ausgang der Bibliothek suchen. Immer wieder
stoßen sie gegen Regale, die lautlos zu Boden poltern. Dann ertastet Rukus das Relief rund um das Portal... endlich werden sie wieder Praios Antlitz erblicken... doch schon wieder
strömt Hitze auf sie zu, wird nahe des Ausgangs fast unerträglich. Als die Magi dennoch nach
außen stürmen, werden sie fast wieder in die Dunkelheit zurückgeworfen. Um sie herum scheint Feuer zu sein, nichts als Hitze, Licht und Flammen. Panisch suchen die Magi Schutz an der Wand der Bibliothek und als sie nach mehrmaligem Blinzeln das Licht vom Schatten
zu trennen vermögen, sehen sie eine Feuersäule, auf welcher der flammende Oberleib des Dschinns
thront, welcher die Arme vor der Brust verschränkt hat und nun zu den Neuankömmlingen
herabblickt. Als die Magi ihre Augen noch weiter zusammenkneifen vermeinen sie einen Schatten zu erkennen - einen Schatten inmitten des feurigen
Dschinnenkörpers! Es ist der Großmeister, der seine Robe an sich gerafft hält! Und nebenan stehen Achmed und Sheddja, mit geschlossenen Augen und Falten auf der Stirn. Ihre Arme halten sie vor der Brust verkreuzt, die Finger weit gespreizt. Dann mit dem Ruf
"Zarach ay Majj!" reißen beide die Arme weit ausgestreckt nach
vorne, und aus der Luft materialisieren sich Wände... Wände aus Wasser! Sie bilden ein
Kreuz dessen Mittelpunkt der Großmeister bildet und welches, auf den Feuerdschinn treffend, zischend verdampft. Dieser verzieht sein Flammengesicht, blickt gen Himmel und eine Stichflamme
schießt hoch in den Himmel... doch er hält der Tortur stand und die Wände bleiben fern von ihm - und vom
Großmeister. "Meister," haucht der Dschinn mit feurigem Odem und wendet sich an Thundar, "ist er sicher?"
Noch immer etwas geblendet und leicht verwirrt von der Hetzjagd durch die Bibliothek und der verzweifelten Suche nach dem Ausgang, dauert es erst einmal einige Zeit, bis Thundar die Frage versteht. Ein immer breiter werdendes, erleichtertes
Grinsen verzieht sein Gesicht...
"Ja, er ist in Sicherheit! Dein Dienst ist erfüllt! Ich danke dir von ganzem Herzen
für deine Hilfe, Dschinn."
Der Dschinn verneigt sich wortlos, wird unförmiger, kleiner und kleiner bis er nur mehr ein einzelnes
Flämmchen ist, schwebt zur nächsten Fackel, die an der Wand hängt, und verschmilzt mit deren
Flamme.
Sobald der Dschinn im Begriff ist, sich aufzulösen, drängt nach und nach das Wasser der elementaren
Wände immer weiter auf den Großmeister zu. Dessen Kleidung ist mittlerweile durch das elementare Feuer
stellenweise versengt und auch von der Stirn Erilarions tropft der Schweiß in kleinen Perlchen herab.
Für kurze Zeit nur sieht man den Großmeister verwirrt in das lächelnde Gesicht Thundars blicken, dann jedoch
stürzt das Wasser von allen Seiten über ihn herein. Noch ehe irgendeiner der Anwesenden reagieren kann, vernimmt man einen langgezogenen Schrei und
Großmeister Erilarion wird aus dem Wasser heraus in Richtung der Gangwand geworfen, an die er
schließlich - nach immerhin drei Schritt Flug - auch wie ein nasser Sack klatscht. Alle Herbeieilenden
können nun sehen, wie der Großmeister vollkommen durchnässt und aus einer Platzwunde am Kopf blutend an die Mauer gelehnt
daliegt, die Augen geschlossen.
Völlig außer Atem lehnt sich auch Rukus an die Wand neben dem Eingang zur Bibliothek und presst sich noch immer die Hand auf die Brust. Seine röchelnden Atemzüge werden von einem hellen Pfeifen begleitet, der Schweiß steht ihm auf der Stirn und sein Gesicht ist geprägt von der Anspannung und Angst der letzen Minuten. All das war wohl ein wenig zuviel Aufregung für einen gelehrten Mann seines fortgeschrittenen Alters. Als er den ersten Schrecken überwunden hat, reckt er schließlich die Hände samt Stab der Decke entgegen und ruft aus: "Gepriesen
seiest du, Herrin Hesinde, dass du uns aus diesem brodelnden Chaos hast entkommen lassen!" Dann wendet er sich dem
Großmeister zu und fragt verstört: "Was im Namen von Nandus und Hesinde war das?"
Gerade als Meisterin Sheddja zu einer Antwort ansetzen will, öffnen sich die Augen des
Großmeisters; und während er einmal tief einatmet, tasten seine Finger nach der immer noch blutenden Wunde am Haupt. Euch allen wollen keine passenden Worte einfallen, doch dies ist auch gar nicht
nötig, denn anscheinend hat der Großmeister ebendiese Worte schon parat. Mit donnernder Stimme, sodass es wohl
ein jeder im Gebäude hören muss, spricht er: "Alle Niederhöllen über euch! Was geht hier vor?" Doch ohne eine Antwort abzuwarten,
fährt er mit dröhnender Stimme fort: "Praiospotzblitz noch mal! Da entrinne ich nur knapp meinem Schicksal, komme nichts ahnend hier an und was geschieht?! Zuerst werde ich von einer Feuersbrunst
umhüllt, welche mich - aus welchen Gründen auch immer - nicht wieder gehen lässt
und mir ganz nebenbei meine Robe versengt...". Sein zornerfüllter Blick scheint
während dieser Worte nach dem Urheber für diese 'Feuersbrunst' zu suchen, "...und dann - wohl zur Erhaltung des elementaren Gleichgewichts - werde ich von gewaltigen Wassermassen erfasst, die mich
schließlich hierher verfrachten. Bin ich hier in die Niederhöllen geraten oder was?!" Wer nun glaubt, dass der lautstarke Redeschwall des
Großmeisters ein Ende hätte, der irrt. Denn Erilarion erhebt sich, das Gesicht rot vor Zorn, und kommt auf Meisterin Sheddja und Meister Achmed zu. "Stupidi et Stulti! Ubi ibi sum? In nomine Hesindae, quod fecerunt?!" Eine kurze Verschnaufpause folgt, dann
fährt er fort, diesmal allerdings mit etwas gedämpfterer Stimme: "Und jetzt geht mir aus dem Weg, ich kann euren Anblick nicht mehr ertra..." Mitten im Satz bricht Erilarion ab und eilt an den zwei Meistern vorbei den Gang entlang.
"Endlich eine vernünftige Person! Komm an meine Brust, Eborëus." Ohne dass ihr es gemerkt
hättet, sind die zwei Adepti, die Meisterin Sheddja zu Meister Barius schickte,
zurückgekehrt. Einen von ihnen - den mit Eborëus angesprochenen - schließt Großmeister
Erilarion eben gerade in seine Arme, redet dann leise ein paar Worte mit ihm, bis er sich
endgültig abwendet und hinter der nächsten Ecke - immer noch murrend und vor sich hin schimpfend - verschwindet.
Meister Achmed schaut angesichts der Beruhigung der Lage mit verduzter Miene dem
Großmeister hinterher, der ihn soeben in einem Kauderwelsch aus Garethi und Bosparano beschimpft hatte. Oder war da nicht auch ein Hauch von Horati zu
hören? "Erilarion-bil, al'Scheik, ihr habt Glück, dass ich euch aufgrund eurer bisherigen Taten, die ihr vollbracht habt, den Respekt entgegenbringe, der mich nun davon
abhält, euren Kopf, der Dinge spricht einer Sindh gleich, von euren Schultern zu trennen. Aber
hört ihr al'Hawa? Nehmt euch vor dem dritten Rastullahella in Acht, mein Silhamib!"
Nach diesen Worten, die für alle noch Anwesenden gut hörbar waren, zieht Achmed seinen Turban tiefer ins Gesicht und murmelt noch im Gehen: "Sobald der Mensch in Zorn
gerät, gerät er in Irrtum!"
Nachdem der Großmeister schimpfend um die Ecke verschwunden ist, eilt Eborëus mit seinem jüngeren Kollegen stante
pede auf Meisterin Sheddja zu um auch ihr Bericht zu erstatten: "Nun...
werte Meisterin, ich habe getan, was Ihr mir aufgetragen habt und bin zum Gemach von Meister Barius geeilt um ihn über den akuten Vorfall in Kenntnis zu setzen. In seinem Gemach jedoch konnte ich ihn nicht auffinden und so eilte ich schnellen Schrittes zum Turm, um an der Labortür zu klopfen, jedoch auch dort öffnete er nicht.
Selbst habe ich es nicht gewagt das Labor zu betreten, denn ihr wisst wie er reagiert, wenn er bei
seinen... wie auch immer, wenn er gestört wird - und versteht das nicht falsch - ich will meine Finger noch behalten. Denn Gerüchten zufolge, die im Schlafsaal des Nachts, wenn wir die Schritte des Meisters im Gang pochen hören, erzählt werden, soll er nämlich einmal..." Der Studiosus setzt gerade an mit zögernd zitternder Stimme zu erzählen, als Sheddja mit einem Wink ihrer rechten Hand den Knaben unterbricht.
Thundar wirft Sheddja einen dankenden Blick zu ergreift daraufhin das Wort: "Wie bei allen Niederhöllen ist Erilarion da heraus gekommen - und dann auch noch vor uns?" Das Grinsen in Thundars Gesicht ist
längst wie weggeblasen, als er zu Sheddja und Rukus gewendet diese Frage in den Raum stellt. "Aber",
fährt er fort, "eigentlich ist dies momentan wohl eher nebensächlich - vordringlicher erscheint mir die Frage, was mit diesem Schleim und der Pforte im Moment geschieht. Wir
müssen mit dem Schlimmsten rechnen! Schließlich könnte es sich ja wirklich um ein Portal in die
Niederhöllen handeln und die Manifestation dieser gallertartigen Masse lediglich der einer
Entität der 7. Sphäre vorausgehen. Lasst uns also zuerst einige Vorsichtsmassnahmen vornehmen - das mindeste erscheint mir die Sicherung und Beobachtung des Durchgangs zur Bibliothek, vor dem wir uns gerade befinden.
Zusätzlich würde ich empfehlen zwei Studiosi als Posten abzustellen, die etwaige
Veränderungen sofort berichten. Anschliessend können wir ja - in der Hoffnung, dass sein Zorn verraucht ist - Erilarion fragen, wie er aus der Kammer entkommen konnte, ohne dass wir dies bemerkten. Was meint ihr dazu, werte Collegi?"
Sogleich setzt Meisterin Sheddja den Plan Thundars in die Tat um, indem sie sagt: "Der ehrenwerte Magus Thundar Hurlemanoff hat wohl recht, wenn er uns vor dem Portal warnt. So bleibt hier", sie blickt zu den zwei Adepten, "und bewacht die Bibliothek - und betretet sie unter keinen
Umständen!" Dann tritt Sheddja zu Thundar und Rukus und fährt in wesentlich milderem Ton fort: "Ich verstehe die Ereignisse auch nicht vollkommen, zu verworren war die letzte Stunde. Doch mir schien, der
Großmeister konnte sich mit einem Transversalis retten. Was ihn aber nicht davor bewahrte, von einem
plötzlich aus der Dunkelheit erscheinenden Feuerdschinn eingehüllt zu werden... wir hatten Dschinne beauftragt den Bibliotheksbestand zu
übersiedeln und einige verschwanden... aber das kann nicht möglich sein... Die
Wasserwände schienen eine Lösung zu sein, deshalb..." Die letzten Worte sprach Sheddja mehr zu sich selbst, doch dann sieht sie zuerst Thundar, dann Rukus an. "Der
Großmeister verlangte nach Meister Barius. Daran dachte er jetzt wohl nicht
mehr. Dann schmunzelt Sheddja: "Wie ich unseren ehrenwerten Großmeister kenne, sitzt er schon in seiner Kammer
über den Gesprächen Rohals des Weisen, seiner Meinung nach eine der besten Methoden sich zu entspannen. Die Adepten konnten den Meister aus Charypso nicht finden, doch er wird sich im
Beschwörungsturm aufhalten. Sollen wir ihn vielleicht dort... aufsuchen?" Mit Verwunderung bemerken die zwei Magi, dass Sheddja etwas beunruhigt
ist und die Entscheidung wohl ihnen überlassen will...
"Eine gute Idee, Meisterin Sheddja! Allen Anschein nach scheint Barius ja mehr zu wissen als er preisgibt", erwidert Thundar sogleich. Zu den Studiosi gewandt meint er noch: "Falls sich etwas
verändern sollte, dann bringt euch auf jeden Fall in Sicherheit und sagt einem Magister bescheid - es ist nicht die Zeit
für irgendwelche Heldentaten!"
Er blickt wiederum zu Meisterin Sheddja und Rukus: "Auf dem Weg zu Barius werde ich das
Rätsel um den Dschinn des Feuers aufklären, wenn es euch recht ist."
von: Philipp Schumacher Erschienen in Opus no. 35 am 26.9.1999 als Reaktion oder Fortsetzung zu Die Pforte IV.
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Die Pforte VI. |