Silberlöwen-Magierin-Schwangerschaft!
Über eine Schwangerschaft eines Menschen in Silberlöwengestalt
Aufsatz von Magister Elinos Friedensucher von der Akademie zu Baburin
Seit einigen Monaten habe ich Gelegenheit, eine sehr interessante Geschichte zu betreuen und
hoffentlich zu einem guten Abschluss zu bringen. Auf vielfältiges Drängen meiner Kollegen habe ich nun zur Feder gegriffen, um die Geschichte
niederzuschreiben; sie waren nämlich der Meinung, dass "die praktische Untersuchung der Silberlöwin Chancen eröffnet, von der jeder Wissenschaftler träumen würde". Ich kann mir zwar nicht vorstellen,
dass eine Hochschwangere beglückt darüber ist, als Untersuchungsobjekt zu dienen, aber meine menschlichen Kollegen erzählten dann irgendwas kompliziertes, jedenfalls sollte ich diese Sache für die Nachwelt (Jawohl!) festhalten. Und da meine Patientin sowohl als Silberlöwin wie auch als
Menschenfrau nichts dagegen hatte, sitze ich jetzt bei einem schönen Nachmittag auf dem Apfelbaum der Akademie und versuche, die
Pergamentbogen am hinabfallen zu hindern.
Am nachvollziehbarsten ist es, wenn ich von Anfang an schreibe. Eines schönen Morgens wurden an unserer Akademie ein Angroschim und vier Menschen vorstellig, die eine Silberlöwin mit sich führten. Die Silberlöwin sei eigentlich die Magierin Kiara D., hätte aber beim Zurückverwandeln nach einem
ADLER, WOLF Probleme. Nun, sie verwandelte sich einfach nicht zurück. Ein anderer Magier aus der Begleitung wollte das nicht tolerieren (Warum
eigentlich? - Wäre auch eine Untersuchung wert.), schaffte es aber nicht, sie zurückzuverwandeln. Ich bin an meiner Akademie der "Experte" für
Selbstverwandlung, und daher sollte ich sie untersuchen.
Das interessanteste war aber, dass Kiara schwanger war. Ich konnte erfühlen,
dass sie sechs weitere Leben in sich trug. Kiara war auch als Silberlöwin intelligent, was zeigt,
dass ihre Leben als Mensch und als Silberlöwe sehr gut aufeinander abgestimmt sind; es war daher gut möglich, sich mit
ihr - wenn auch nur gedanklich - zu verständigen. Dabei erfuhr ich viel Neues über Silberlöwen.
Interessant ist insbesondere, dass Silberlöwen nicht, wie bisher angenommen, hohe und schnelle Musik, sondern eher tiefe und gemächliche Musik
bevorzugen - also gar nicht so unähnlich zu Bären, wie Andrion klingender Bach seit vierhundert Jahren behauptet. Dieses kann jedoch auch auf dem
Zustand von Kiara - sie war hochschwanger - beruhen. Wir machten uns Sorgen um die Gesundheit der Mutter und der Kinder, aber zunächst ging alles gut. Ihre Schwangerschaft war genauso schwer oder leicht wie die jedes Lebewesens,
dass das erste Mal gebärt, und ich musste oft an meine Freundin denken, die vor einem Jahr unserem Sohn das Leben geschenkt hat. Kiara war genauso launisch, was bei einer Silberlöwin etwas problematisch ist. Aber wenn meine Freundin launisch ist, ist das auch
problematisch - im Grunde ist der Unterschied also doch nicht so groß. Außerdem ist sie jetzt wieder die liebste Elfe, die es auf der Welt gibt. Am besten beruhigte sie Musik, ein ruhiges Plätzchen im
Freien und hin und wieder hinter den Ohren gekrault zu werden. Auch das - oder so etwas ähnliches
- galt übrigens auch für meine Freundin. Bei der Gelegenheit möchte ich sagen,
dass Silberlöwen nicht so aggressiv wegen ihres beutegreifenden Wesens sind, wie Menschen denken. Wenn wir auf die Jagd
gehen, haben wir schließlich auch keine Aggressionen. Ebenso problematisch wie ihre
Launenhaftigkeit war ihre Raubtiergeruch, der nicht ganz zu überdecken war, daher
musste sie außerhalb der Akademie - wo sie sich sowieso lieber aufhielt - untergebracht werden.
Ich sollte noch etwas zu magischen Untersuchungen schreiben. Nun, kurz
gesagt ging von ihrem ganzen Körper ein dermaßen flächiges Leuchten aus -
es handelte sich schließlich um eine Ganzkörperverwandlung -, dass weder
ich die sicherlich vorhandenen überdeckten feineren magischen Strukturen
erkennen konnte, noch meine Analüs-Kollegen weiterkamen. Die Stellungnahmen
meiner Kollegen sind länger, laufen aber im Großen und Ganzen auch darauf
hinaus.
Wie ich bereits erwähnte, ging die Entwicklung zunächst ausgesprochen positiv weiter und die sechs Lebensspuren wurden stärker und stärker. Es ist ein besonderes Gefühl, in einem Leben andere Leben zu erspüren. Es ist so ähnlich wie beim
Betrachten einer Korbblüte: Man denkt zunächst, man hätte nur eine Blüte vor
sich - und eigentlich stimmt das ja auch. Aber gleichzeitig ist auch wahr, dass
man mehrere einzelne Blüten vor sich hat.
Dramatisch wurde die Entwicklung jedoch nach zwei Monaten. Kiara klagte plötzlich über starke Schmerzen, als ob ihr Bauch platzen würde, und kurz darauf bemerkte ich, wie ihr Körper haarloser und vor allem kleiner wurde. Sie war dabei, sich wieder in einen Menschen zurückzuverwandeln! Dieses war zwar der Grund, warum sie ursprünglich zu uns gebracht worden war, aber der Moment hätte nicht ungünstiger sein können. Sie
hatte - für einen Silberlöwen kaum ungewöhnlich, aber nicht für einen
Menschen - sechs normal entwickelte Kinder einen Monat vor der Geburt im Bauch. Glücklicherweise war Magistra vaan Casscaro anwesend (der ich an
dieser Stelle ausdrücklich danken möchte!), die geistesgegenwärtig Kiara
- die sich bereits zum Teil zurückverwandelt hatte - versteinerte. In der so gewonnenen Bedenkzeit entschieden wir uns, Kiara durch Fremdverwandlung bis zur Niederkunft zur Silberlöwin zu machen, was dann auch so
durchgeführt wurde. Auch wenn mir diese Methode eigentlich nicht behagt, sah ich keinen anderen Ausweg, Kiaras und ihrer Kinder Leben und Gesundheit zu schützen. Leider gelang uns dieses für eines der Kinder nicht ganz.
Der letzte Monat, den Kiara so zubrachte, war für uns am schwierigsten, denn sie hielt sich für eine echte Silberlöwin und hatte bis auf einen letzten Rest jeden menschlichen Verstand verloren. Ich hatte nie gedacht,
dass ich Menschenverstand mal so vermissen würde. Oftmals war es nur dann möglich, sich ihr zu nähern, wenn man sie mit einem Zauberlied friedlich gestimmt hatte. Silberlöwen können wohl nie wie andere Katzen in einer
Gesellschaft leben. Ich möchte hier nicht in die Einzelheiten gehen, aber ich erhielt viele Gelegenheiten zu üben, den Geist friedfertig zu stimmen und Wunden zu heilen.
Die Niederkunft begann Nachts zur Praiosstunde. Der abnehmende Mond leuchtete durch das Fenster und vermengte sich mit dem Kerzenschein zu
einem unwirklichen Licht- und Schattenspiel. Aber ich soll ja wissenschaftlich bleiben.
Wir waren zu dritt, nämlich meine Freundin, die das friedlichste aller Lieder spielte, damit es nicht zu einer gefährlichen Situation kam, Elevin
Yezemin, die schon oftmals Kiara versorgt hatte und ihr vertraut war und die mir aufgrund ihrer ruhigen und zuverlässigen Art auch die richtige Person zu sein schien, und ich. Die örtliche Hebamme hat sich bedauerlicherweise geweigert. Kiara hatte leicht den Schmerz dämpfende und beruhigende Kräuter in ihr Essen gemengt bekommen und wurde durch einen Bannkreis am Verlassen ihres Lagers
gehindert.
Ich denke, es ist unnötig, unsere Sorge und Neugier zu begründen. Die Geburten verliefen insgesamt unkompliziert und rasch hintereinander. Als erstes und wohl zum erstenmal auf Dere überhaupt
erblickte ein kräftiger Junge das Licht der Welt, der aber am ganzen Körper den weißen Pelz von
Silberlöwenjungen hat, dazu kleine spitze Zähne und Ohren und einen Schwanz. (Ich werde die
Entwicklung der Kinder weiterverfolgen und dann eventuell einen zweiten Aufsatz verfassen, der sich
schwerpunktmäßig und genauer damit beschäftigt.) Es folgte eine ähnlich aussehende Schwester. Das dritte und vierte Kind waren
jedoch - zumindest dem Äußeren nach zu urteilen - normale männliche und ein weibliche Silberlöwenjunge. Das fünfte Kind scheint dagegen vollständig ein kleines
Menschenmädchen zu sein! Als letztes kam ein weiteres Kind mit teils menschlichen, teils löwenhaften Zügen zum Vorschein. Es war
schon - offenbar durch Luftnot - blau angelaufen und ist auch ansonsten kleiner als seine Geschwister.
Die Kinder sind nun mittlerweile drei Monate alt und entwickeln sich - auch das
letzte - normal. Wir versuchen zur Zeit eine Katze zu melken, da dem männlichen Kind mit Löwenaussehen die
menschliche Milch etwas schlecht bekommt.
Kiara wurde drei Tage nach der Niederkunft wieder ihre menschliche Gestalt zurückgegeben. Sie ist eigenen Angaben nach 25 Jahre alt. Die Mutter war von der Geburt und wohl auch der Zurückverwandlung geschwächt, gewann jedoch schnell ihre Kräfte zurück.
Ich hoffe, dass dieser Aufsatz dem Bedürfnis nach Berichterstattung genügt. Ich werde die
Entwicklung der Kinder weiter beobachten und nach einiger Zeit erneut darüber berichten. Erschienen in Opus no. 44 am 5.12.1999 als Reaktion oder Fortsetzung zu Magietheoretische Beobachtungen einer Schwangerschaft während einer Verwandlung....
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Magietheoretische Beobachtungen von Kindern....
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