DE NATURA MAGICULTURÆ Versuch einer philosophischen deductio spezifischer 'variatio
magiculturae' von Reiju Windfeder Vorrede Geschätzte Collegae, Möge die Junge Göttin den wachsenden Baum eures Geistes zahlreiche
Frucht tragen lassen! Gegeben zu Donnerbach im Mond der Tsa I. These Madas Frevel hat den freien Fluß von astraler Kraft zu einer 'physischen Konstante' gemacht. Kommentar: Der Begriff physis entstammt dem
Alt-Güldenländischen und bezeichnet die Gesamtheit allen Seins in ihrem Urspung aus
polaren Strukturen: LOS-SUMU, Nayrakis-Sikaryan, Werden-Vergehen, die Einheit der ersten
und das Chaos der siebten Sphäre, das Gleichgewicht der elementaren Antinomien, der
kosmisch-metaphorische Wettstreit zwischen dem 'Nehmer der Welt' und dem 'Geber der
Gestalt' innerhalb der dritten Sphäre - all dies sind die kreativen Konstanten unseres
kreatürlichen Universums, i.e. der uns umgebenden und einschließenden 'Sämtlichkeit'
(bosp.; universus = sämtlich). Bezeichnenderweise leitet sich das Wort physis
vom Verb phyô = wachsen ab. II. These Alle Wesen der dritten Sphäre treten - als conditio existentiae earum - mit einer Vielzahl von bestimmten 'physischen Konstanten' in Berührung, von denen Magie oftmals eine ist. III. These Verschiedene Wesen treten auf verschiedene Arten und Weisen mit den 'physischen Konstanten' - und wir wollen hier konkretisieren: mit Welt, i.e. mit eben jenen Konstanten, welche der dritten Sphäre eigentümlich sind - in Berührung. Einige Wesen können in dieser Begegnung eine aktive Rolle übernehmen und somit ihre Welt durch Interaktion mit ihr nach eigenen Bedürfnissen formen. Aus dieser Formung entsteht 'Kultur' und die Wesen, welche solche Formung betreiben, sind 'kulturschaffend'. Kommentar: Das Wort 'Kultur', bosp. cultura, muss mit
großer Vorsicht behandelt werden, denn weder das Alt-Güldenländische, noch das Isdira,
noch das Angram, noch das mhanahzabân (Ur-Tulamidya), noch die alt-echsische Sprache
(soweit sie aus den Glyphen von Yash'Hualay rekonstruiert werden kann) besitzt meines
bescheidenen Wissens nach einen vergleichbaren Begriff. Es handelt sich bei dem Wort also
um eine genuin bosparanische Prägung - ein 'Produkt' und einen integralen Bestandteil
unserer Denkweise -, die keineswegs einfach auf andere Völker und ihre Entwicklung
übertragen werden kann - und hier wurden nur jene hochentwickelten Wesensgemeinschaften =
Völker genannt, über die unser (erst recht spät in der aventurischen Geschichte)
eingewandertes Völkchen überhaupt etwas aussagen kann! IV. These In der dritten Sphäre - und präziser: in Aventurien - ist Magie also eine 'kulturelle Konstante' in dem Sinne, dass alle kulturschaffenden Völker jedes Zeitalters Magie kannten und kennen und nutzten und nutzen, um ihre Welt, ihre Wirklichkeit zu formen. Kommentar: Auf die Bewohner der anderen Sphären kann hier nicht
geschlossen werden - natürlich hat Madas Frevel 'alle Sphären durchstoßen', wie es
geschrieben steht, doch wir wissen nicht genug über das Wesen der Götter oder das der
Dämonen, um Magie auch als 'deische' oder gar 'daimonische Konstante' zu diagnostizieren.
An dieses Thema könnten sich jedoch zahlreiche produktive Spekulationen von Seiten der
Priesterschaft der Zwölfe oder der Beschwörergemeinschaft inner- und außerhalb der
Gildenmagie anschließen. V. These Als 'weltlich-kulturelle Konstante' - und das heißt im oben beabsichtigten Sinne: als nutzbare Kraft im Weltengefüge - ist Magie somit immer Teil der aktiven Begegnung, der Interaktion aller kulturschaffenden Völker mit Welt, ist weder Subjekt noch Objekt sondern Mittel der Interaktion! Kommentar: Um einmal mehr die Feinheiten der ehrwürdigen Sprache der ersten Siedler zu bemühen, sei hier darauf verwiesen, dass mein Gebrauch des Wortes Mittel durchaus die Verwendung des alt-güldenländischen órganon gestattet, welches seinen Bedeutungshorizont sowohl in der herkömmlichen Übersetzung mit 'Werkzeug' findet, aber auch ein 'Musikinstrumet' meinen kann, ebenso wie ein großes 'Kriegsgerät' oder ganz wörtlich das 'Organ', also einen Sinn oder ein Körperteil, welches in unserem Leibe sein tsagefälliges Werk tut. Die Erforschung des Interpretationsspielraumes dieses Wörtchens in Bezug auf unseren Kontext sei dem werten Leser überlassen... VI. These Die Ausformung von Magie als Mittel der Interaktion mit Welt sowie die Betrachtung dieser Ausformung - i.e. die magica practica und die theoria magica - variieren partim gravierend zwischen den einzelnen kulturschaffenden Völkern. Kommentar: Der Begriff der theoria magica meint hier die Reflexion nicht nur innerhalb der magischen Gemeinschaft sondern innerhalb der gesamten Wesensgemeinschaft über ihre Nutzung von Magie als kultureller Konstante und ihre Begegnung mit Magie als weltlicher, physischer Konstante. CONCLUSIO Unter allen möglichen Nutzungs- und Betrachtungsweisen von Magie gibt es keine, die als (einzig) wahr bezeichnet werden kann. Die Nutzbarkeit liegt im Wesen der Magie. Die unterschiedlichen Weisen unterschiedlicher Wesen, Welt zu begegnen, liegen im Wesen der Wesen und des Wesens an sich, da Vielfalt eine Eigenschaft allen Wesens, aller Sämtlichkeit, aller physis ist. Magie entzieht sich somit jeder eindeutigen Beschreibung, welche allgemeine, objektive Gültigkeit beanspruchen will (wie sie exempli gratia von der modernen - mit Verlaub: Puniner - Magietheorie versucht wird). Also: Jedes System der Beschreibung, Klassifizierung, Funktionalisierung von angewandter oder theoretisch betrachteter Magie - i.e. jedes einzelne aller möglichen systemata magica - ist in seinem kulturellen Bezugsrahmen gültig, funktionsfähig, kohärent - wahr - solange die das System praktizierende Gemeinschaft dieser Meinung ist. Jedoch: Keine einzelne systema magica kann von einer anderen Gemeinschaft als ungültig, nicht funktionsfähig, inkohärent - unwahr: sine veritate - deklariert oder auch nur betrachtet werden! Ich rufe die geschätzten Collegae hiermit auf: Wahret die Vielfalt! Ad revisionem et comparationem: von: Tyll Zybura |
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