Zwiesprache des Achmed ibn Mhukkadin al Ghunar auf einer seiner Reisen
durch die aventurischen Lande
Ich weiß und Du weißt
es auch, es ist nicht das erste Mal, dass ich Dir schreibe. Im Grunde schreibe ich immer
an Dich und kann nur an Dich schreiben. Du hast es mich oft genug wissen lassen, es sei
ein Fehler, Dich nicht zu verinnerlichen, Dich selbständig zu lassen, mehr noch als ein
Fehler, ein Problem, welches ich noch immer nicht im Stande sei aufzulösen. Aber
besonders nach diesen Tagen muss ich Dir doch heftig widersprechen.Du weißt, ich bin
nicht eingekehrt in Keft, ich habe es gemieden, aus einem Bedürfnis nach Einsamkeit und
einem Unwillen gegenüber den Gesellen der Geselligkeit.
Was ich mir also wünschte waren ruhige Tage für mich, ganz leicht gesagt und auch
nett anzuhören, aus diesem Grund sagte ich mir dies auch andauernd vor und je länger ich
das tat umso mehr befiel mich eine gewisse Panik vor der Einsamkeit. Diese Panik trieb
mich hinaus in dunkle, verlassene Gässchen und einsame Schenken.
Ich konnte also weder mit der Geselligkeit noch mit der Einsamkeit meine Spielchen
treiben. Allein dieses Problem schwächte mich schon unheimlich und hinterließ in mir
eine diffuse, unbenennbare Unzufriedenheit. Zu dieser Grundstimmung gesellten sich dann
noch die alte, rostige Liebe mitsamt ihrer Verantwortung und in neuer Auflage das Problem
meiner Sinnhaftigkeit, das gar nicht meines ist, von dem ich aber trotzdem immer wieder
glaube, es auf mich nehmen zu müssen.
Kurz, ich war ausgeschöpft, leer, missbraucht, verzweifelt und ansonsten nicht
besonders wohl auf.
Das alles geschah nach den ersten zwei bis drei Tagen meiner Entscheidung, nach diesen
Tagen war ich so erschöpft, dass ich nur mehr in meinem Zelt lag und die Decke bestarrte,
was nebenbei eine harmlose Spinne, gegen die ich bereits seit geraumer Zeit zu Felde zog,
natürlich schamlos ausnützte, indem sie sich meiner Wasserpfeife bemächtigte.
Nun gegen Ende dieser Zeit also, in der mich
sogar eine Spinne bis aufs Blut zu erniedrigen verstand, geschah es, dass es Abend wurde
und da meine Zeltöffnung nach Djunubi deutete und meine Schlafstätte im Garbi
lag, hätte die Sonne mich eigentlich überhaupt nicht belästigen können. Durch eine
unglückliche Verkettung mir überwollender Umstände kam es natürlich doch zu dieser
Belästigung und zwar hatte ich das Zelt geöffnet, der Himmel hielt sich im Klaren und
die Sonne blendete mich auf der Schlafstatt liegend und das nahende Unheil bis dato
interessiert und angstvoll verfolgend sozusagen hinterrücks über die Spiegelung der
blankpolierten Wasserpfeife. Diese kurze aber intensive Blendung hatte zweierlei Folgen.
Ad primo einen vorübergehenden Verlust der Sehkraft und ad secundo einen Augenblick der
absoluten Verinnerlichung. In diesem Augenblick wurde ich mir selbst aus der Dunkelheit
des verlorengegangenen Augenlichts vorgeführt und ich hatte die, in so konzentrierter
Form nie dagewesene Möglichkeit, mich selbst zu betrachten und ich sah mich, und sah
etwas, das ich zwar kannte, aber ganz offensichtlich nicht von mir war. Es glich Dir wie
ein Ei dem anderen und doch warst es nicht Du. Bald darauf sahen wohl meine Augen wieder
das Äußere, aber ich glaube immer noch geblendet zu sein und bin es wohl auch, denn
diese Erfahrung brannte sich in meine Augen ebenso ein wie in meine Seele.
Und deshalb bin ich mir also ganz sicher, dass Du sehr wohl ein Teil von mir bist,
vielmehr ich jedoch nur ein kleines Teil von Dir.
Meister Achmed ibn Mhukkadin al Ghunar von: Clemens Schumacher Erschienen in Opus no. 20 am 31.5.1999.
|
|