Opus veritatis scientiaeque

Der Schwarze Limbus    

20. Travia im 54. Götterlauf nach Hal

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Dissertatio de conventibus filiae satuariae
a Magus ordinarius Eboreus Kalmaning, Perricum, scripta

Partum II

Wir wissen von einigen Orten, an denen sich das Hexenvolk regelmäßig trifft. So zum Beispiel in den Koscher Krötensümpfen, im Weidener Blautann, auf einem Berg nahe Al'Anfa und noch einigen anderen Plätzen. Besonders bekannt ist eine Bergkuppe beim sewerischen Ouvenmas. Jeden letzten Tag im Efferd erhellt dort ein großes Feuer den Nachthimmel. Wie wir also sehen, sind über ganz Aventurien entsprechende Treffpunkte zu finden, wo sich scheinbar oft viele Dutzend zusammenfinden. Über jeden einzelnen gibt es eigene Legenden, was sich dort zuträgt. Oft ist von dunklen Ritualen, manchmal gar von geopferten Jünglingen die Rede. Andere Erzählungen sind glaubhafter und berichten, dass entführte Maiden und Burschen am nächsten morgen wohlauf wieder zurückgekehrt seien. Allerdings sind diese anscheinend stets nicht in der Lage gewesen, von ihren Erlebnissen zu berichten, wüssten wir doch sonst sicherlich mehr von diesen ominösen Begebenheiten. Allerdings wird häufiger geschrieben, die Entführungsopfer seien entweder besonders wohlgestalt oder musikalisch gewesen. Ist dies ein Hinweis, der das Ganze als rein vergnügliche Feste, vielleicht lasterhafte Orgien entlarvt?
Ich denke, es steckt mehr dahinter. Sehen wir uns doch einmal die den Töchtern Satuarias eigene Struktur an: Meist einzeln lebende Frauen, manchmal auch Mutter eines bei ihr lebenden Kindes. Es ist uns nichts bekannt von größeren, ständigen Ansammlungen oder Einrichtungen unseren Academiae ähnlich. Wenn wir, was mit annähernd absoluter Sicherheit der Fall ist, annehmen, auch Hexen benötigten eine Form der Ausbildung um ihre Kräfte in sinnvolle Bahnen zu lenken, dann wird dies wohl in der Hauptsache durch eine recht persönliche Ausbildung von wenigen Schülerinnen bei einer Meisterin bewerkstelligt. Eine ernstzunehmende Annahme ist, dass diese jeweils Mutter und Tochter darstellen. Inwiefern das allgemeine Gültigkeit besitzt, kann nur durch Befragung von Eingeweihten ersichtlich werden. Leider stehen mir hierzu keine Möglichkeiten offen. Aber das Wissen einer Person kann zwar groß sein, ist aber stets eingeschränkt. Manches an Wissen mag verloren gehen, wenn eine Hexe stirbt, ohne eine Schülerin ausgebildet zu haben. Wenn man dies zu Grunde legt, dann wird es offensichtlich, dass das Wissen dieser Gemeinschaft mit den Generationen immer mehr abnehmen müsste, da ja allgemein bekanntermaßen schriftliche Niederlegung von Erkenntnissen und Wissen recht wenig verbreitet ist, und bei dem Alter des Hexenkultes heutzutage eigentlich keinerlei Gefahr mehr von diesem ausgehen könnte. Aus leidiger Erfahrung in meiner täglichen Praxis kann ich aber versichern, dem ist nicht so! Immer noch stellen die satuarischen Beherrschungen und Flüche eine immense Bedrohung für das geistige Wohlbefinden ihrer Opfer dar, haben also keinesfalls an Wirkung verloren. Auch bei der Häufigkeit und Vielfalt – verwiesen sei an dieser Stelle auf eine Arbeit des verehrten Collegus Magus extraordinarius Rukus Ambrosius (Opus no. 10-14) – ist keine Stagnation zu erkennen. Dies lässt den Schluss zu, Quervernetzungen jenseits der mündlichen Weitergabe von Meisterin zu Schülerin seien existent. Wie oben schon einmal erwähnt, scheiden Schriften hierfür ja offensichtlich aus, womit ein persönlicher oder fernempathischer Kontakt notwendig wird. Letzterer aber dürfte zu aufwendig sein und selbst mit hohem intuitivem Verständnis der Magie an sich nicht in vernünftigen Parametern zum Ziel führen. Also liegt es äußerst nahe, in den großen Quartalstreffen der Hexenschaft eine Art Versammlung zum Wissensaustausch zu vermuten, eventuell ähnlich unseren eigenen großen, allsiebenjährlichen Conventen. Allerdings sei hierbei wiederum anzumerken, dass ein Abend eine äußerst geringe Spanne ist, eine Zauberthesis zur ersten erfolgreichen eigenen Anwendung zu verinnerlichen, wenn vorher keinerlei Kenntnisse vorhanden waren. Nun müssen also entweder Lehrerin und Wissbegierige noch einige Zeit danach zusammen auf dem Platz des Treffens verweilen oder aber die Lernwillige zieht mit der Wissenden mit, bis sie den Zauber zu wirken versteht. Eine weitere denkbare Möglichkeit ist, Hexen eine aus hohem intuitivem Verständnis zu den Kraftflüssen geborene Fähigkeit zu attestieren, neue Anwendungen der Kraft schneller zu verinnerlichen bzw. sich nach einem gegebenen Ansatz autodidaktisch damit weiter zu beschäftigen. Wie auch immer, dem Wissensaustausch kann sicherlich ein wichtiger Stellenwert zugeschrieben werden im Hinblick auf die Zusammenkünfte der Hexen.
Gehen wir einmal weiter von einem Vergleich dieser Treffen mit den allaventurischen Conventen aus, dann müssten dort auch organisatorische Fragen besprochen werden, Führungsgremien ernannt oder, eventuell auch in Form eines Eides, bestätigt werden, verbindliche Beschlüsse gefasst und das generelle Vorgehen der Gemeinschaft bestimmt werden.

Wenn wir dies annähmen, dann sprächen wir den Hexen ein hohes Maß an innerer Ordnung zu, könnten sozusagen von Hexenreichen sprechen, die die Hexen einer Region umfassen, welche sich um einen Treffpunkt erstreckt. Diese Reiche – ich bleibe einmal bei dieser Bezeichnung, obwohl es sich ebenso gut auch um ineinander vom Einzugsgebiet her verquickte Gilden handeln könnte – stellten jedes für sich eine große, magische Macht dar, die, wenn wirklich straff organisiert, einige Ungereimtheiten in der bisherigen aventurischen Geschichte aufwerfen würden. So hätte es die Hexenverfolgungen in der Art nie geben dürfen, da sich die Verfolgung einer in einen Krieg gegen alle ausweiten hätte müssen, denn eine pazifistisch-retrovente Einstellung, wie sie den Elfenvölkern zu eigen ist, kann man meinem Wissen nach den Hexen nicht zuschreiben. Wenn es aber nun zu einem gebündelten Vorgehen der Angegriffenen käme, stelle man sich einmal die Konsequenzen vor: Eine Gruppe von unter Umständen mehreren Hundert Zauberkundigen, die über manches Wissen verfügen, was noch der Katalogisierung bedarf, geeinigt unter einem Ziel, noch dazu hoch mobil durch die Möglichkeit des Fliegens! Solcherlei hätte sicherlich seine Spuren in den Geschichtsbüchern hinterlassen, denn wir reden hier von Dimensionen, wie sie sonst nur die Magierkriege gehabt haben. Da es aber in allen Epochen immer wieder zu Konfrontationen mit nur einzelnen Hexen kam, kann angenommen werden, dass es eine übergeordnete, wirksame Struktur nicht gab und gibt. Demnach kann man davon ausgehen, exekutive Elemente für die Zusammenkünfte der Hexen getrost außer Acht lassen zu können. Einzig mag es unter Umständen zu legislativen und iudikativen Beschlüssen kommen, die sich nicht näher nachweisen ließen. Da die Gemeinschaft an sich laut Aussagen von "Druidentum und Hexenkult" auf lebensbejahende Prinzipien stützt, aber immer wieder und in letzter Zeit gehäuft von skrupellosen Individuen berichtet wird, die sich den Mächten der siebten Sphäre zugewandt haben, kann angenommen werden, dass Entscheidungen ähnlich Disvocatio, Disliberatio et cetera gefällt werden können.
Auch kam es in der Vergangenheit schon des öfteren vor, dass für besondere magische Vorhaben eine größere Menge an approbierten Magiern von Nöten war, sei es ob des schieren Kraftverbrauchs, sei es ob des benötigten gesammelten Spezialwissens. Da angenommen werden darf, dass auch manche große Zauber und Rituale – genannt seien hier die permanenten Formen der sogenannten Hexenflüche – der Hexenschaft diese Parameter benötigen, ist es wahrscheinlich, solcherlei ebenfalls auf den Hexenconventen anzutreffen.
Soweit nun also der Vergleich zwischen der Gildenordnung und den Prinzipien der Hexenschaft, was das Zusammentreffen angeht. Aber man darf nicht vergessen, welche fundamentalen Unterschiede es gibt: Während die Gilden eine rein auf der Wissenschaft basierende Institution zur Optimierung von Forschung und Lehre sowie auch zur Vertretung ihrer Mitglieder gegenüber weltlichen und geistlichen Stellen darstellen, waren die Hexen schon immer eine eigene Religionsgemeinschaft, die sich der besonderen Verehrung einiger minder wichtiger Halbgötter verschrieben haben, als da seien imprimis genannt Satuaria und Levthan. Letzterer mag übrigens ob seiner Gehörntheit neben den sogenannten "schwarzen Hexen" der Auslöser für einiges an Aberglauben im Bezug auf dämonische Riten im Umfeld der Hexenconvente sein. Ob es nun allerdings festgelegte Rituale und Kulthandlungen gibt und die Treffpunkte damit den Stellenwert von Kultstätten, vulgo halbgöttlichen Tempeln, einnehmen, ist nicht eindeutig festzustellen. Allerdings mag eine größere Menge eindeutig zu einer Entität affinierter Personen eine gewisse Nähe zu dieser erzeugen, vor allem wenn dann noch ekstatische Rauschzustände hinzutreten, wie sie in oben genanntem Werk erwähnt werden im Zusammenhang mit dem Begriff der nicht näher definierten "dunklen Wonne".
Nun möchte ich meine Überlegungen zu diesem Thema noch einmal in der Form eines Postulates zusammenfassen: Die Treffen der Hexen, auch Hexennächte genannt, dienen dem quergerichtetem Wissensaustausch, der lockeren Verständigung sowie auch Aufrechterhaltung eines gewissen Maßes an Gemeinsamkeit in den verfolgten Prinzipien, der Bündelung von Kraft und Wissen zum Durchführen größerer magischer Vorhaben, eventuell der gemeinsamen Verehrung der genannten Halbgötter und wohl auch der Pflege von sozialen Kontakten in Form einer Feier, wie sich aus den Erlebnissen besagter Musikanten ableiten lässt.

Erschienen in Opus no. 33 am 12.9.1999 als Reaktion oder Fortsetzung zu Dissertatio de conventibus filiae satuariae - Partum I.
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Responsio de errore filiae et filii satuariae.

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