Opus veritatis scientiaeque

Der Schwarze Limbus    

18. Rahja im 54. Götterlauf nach Hal

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Ein offener Brief an Seine Spektabilität Gorn Of Dagon

Geschätzter Collegus,

Nun ist es aber mal genug! Ich bin wahrlich ein Freund von Kurzweil und heiterem Zeitvertreib, doch irgendwann sollte jede Posse einmal ihr Ende haben, und in einer anerkannten Fachzeitschrift der arkanen Künste wie dieser sind derartige Erheiterungen auf Kosten der Ernsthaftigkeit der Wissenschaft wohl reichlich fehl am Platze!

Werter Gorn Of Dagon, die von euch in der letzten Ausgabe dieser Postille beschriebenen Ereignisse dauern mich für euch. Dennoch kann ich den Folgerungen, die ihr daraus ziehen zu können glaubt, nicht folgen, noch verstehe ich den Grund, warum ihr meint, der Fachwelt über diese Ereignisse überhaupt öffentlich berichten zu müssen. Man sollte ja eigentlich meinen, euer erster Beitrag zu dieser Thematik, dessen aus eurer Feder stammende Bezeichnung als fundierter Fachartikel mir einfach nicht über Herz, noch Lippen gehen will, habe bereits ein solches Maß an freischwebend spekulativen Thesen enthalten, dass weiter dies an unwissenschaftlicher Selbstinszenierung wohl nicht zu überbieten sei, doch einmal mehr habt ihr der Fachwelt das Gegenteil bewiesen. Nicht nur meintet ihr in eurem letzten Artikel eure privat persönlichen Alpträume zum Thema nehmen zu müssen, nein, ihr bezeichnet diese auch noch als empirische und damit impliziert objektive Beweise für eure eigenen Theorien über die Verwerflichkeit der satuarischen Magie und die Götterlosigkeit ihrer Betreiber.

Die Fragwürdigkeit eures Artikels wird bereits bei der Beschreibung des seltsamen Wesens deutlich, das euren eigenen Worten nach eure Akademie ausspioniert haben soll. Fürwahr, von einem solchen Wesen hörte ich nie. Zumindest niemals im Zusammenhang mit den sogenannten Kindern Satuarias, auf deren Wirken ihr selbige Erscheinung jedoch offensichtlich eindeutig meint zurückführen zu können. Eure Fähigkeiten im Bereich der abstrakten Assoziation scheinen mir wahrlich beachtlich zu sein, wenn es euch denn wirklich gelingt, ein solches Wesen mit der fraglichen Personengruppe in Verbindung zu bringen, denn ihr wäret der erste, der eine solche Zuordnung ohne Erkenntnis der Unsinnigkeit des eigenen Handelns zu Ende führen könnte. Zudem zweifelt ihr diese Beobachtung ja selbst schon wieder an, indem ihr die Glaubwürdigkeit des eurer Beschreibung zugrunde liegenden Augenzeugenberichtes in Frage stellt. Werter Collegus, dieses Wesen, was immer es gewesen sein mag, sollte euch nach meinem Dafürhalten lange nicht so sehr beschäftigen wie die womöglich höchst fragwürdigen Trinkgewohnheiten derer, auf deren Beobachtungen ihr euch als Grundlage für eure sogenannten wissenschaftlichen Fachartikel stützt!

Des weiteren führt ihr nun auf, ihr wäret regelmäßig von Alpdrücken geplagt worden. Eure Erkenntnis, dass diese üblen Träume auf den in Fachkreisen als 'Traumgestalt' bekannten Zauber zurückzuführen seien, will anzuzweifeln ich mich an dieser Stelle gar nicht unterstehen, obgleich ich zugeben muss, dass mir ein eure Aussagen verifizierender Bericht eines eurer Person neutral gegenüberstehenden Collegus die Akzeptanz dieser Behauptung als lautere Wahrheit doch um einiges erleichtern würde. Doch erneut ist euch diese Erkenntnis eins mit der Folgerung, dass dieser Zauber von Mitgliedern der satuarischen Gemeinschaft auf euch angewendet wurde, worin ich auch in diesem Fall keine Selbstverständlichkeit zu erkennen vermag. Nun, ich bin kein Rechtsgelehrter, aber gesetzt den Fall dies wäre so, was ich durchaus nicht als erwiesen erachte, so ist die schlimmste Anklage, die aus diesem Tatbestand abzuleiten ich mich im Stande sähe, eine Störung der Nachtruhe durch magische Mittel, denn soweit ich weiß, ist besagte Thesis weder geächtet noch verboten, entstammt sie doch, wie ihr selbst so überaus treffend bemerktet, nicht etwa dem Bereich der Magica Controllaria, sondern dem der Magica Communicatia. Ist es das, was die sogenannten Kinder Satuarias nach eurem Dafürhalten zu widerwärtigen, verdorbenen und götterlosen Kreaturen macht? Dass sie des nächtens eure Ruhe stören? Nun, fürwahr, von so manchem grölend betrunkenen Söldnerhaufen hätte ich aus Zorn und Gram in mancher Nacht wohl ähnliches behauptet, doch ist mein Geist noch wach genug, um diese meine spontane Meinung überdacht zu haben, bevor ich sie der wissenschaftlichen Fachwelt als erwiesene Wahrheit über die Natur der Söldlinge zu präsentieren gedächte.

Im weiteren Verlauf eures Artikels beschreibt ihr nun die verschiedensten Trauminhalte, an die ihr euch offensichtlich noch sehr detailgetreu zu erinnern meint. Auch hier folgt die Behauptung auf dem Fuße, diese Inhalte seien auf das Wirken der sogenannten Kinder Satuarias zurückzuführen. In diesem Punkt erlaube ich mir jedoch, fachliche Zweifel anzumelden. Meine fähigen Collegi mögen mich korrigieren, wenn ich in meiner Einschätzung fehl gehe, doch nach meinem Kenntnisstand ist es mit dem von euch benannten Zauber lediglich möglich, dem Träumenden in seinen Träumen als man selbst oder aber als eine bestimmte andere Person zu erscheinen, nicht aber auf Schauplatz, Handlung, Erscheinungsbild oder Aktionen anderer Figuren innerhalb der Traumwelt Einfluss zu nehmen. Alles außer dem Zaubernden selbst, entstammt weiterhin dem Geist des Träumenden, in dessen Geist sich zu orientieren im Übrigen zuweilen keine leichte Aufgabe sein mag. Es wäre dem Zaubernden also wohl nicht möglich, einen Gegenstand wie einen Stein gleichsam mit in euren Traum zu bringen, so er ihn erst im weiteren Traumverlauf aus eurem eigen Körper zu Tage fördern müsste. Diese und andere Einzelheiten im Mindesten, und wie ich nur vermuten kann wohl auch einige oder alle der handelnden Personen, die ihr so eindeutig meint der satuarischen Gemeinschaft zuordnen zu können, entstammen eurem eigenen Geist, werter Collegus, und haben nichts mit fremdmagischen Eingriffen in euer Bewusstsein zu tun. Was euch des nächtens nun dazu treibt, solch überaus interessanten aber vom noionitischen Standpunkt aus wohl stark an der Grenze zum Bedenklichen liegenden Selbstgeißelungs-Phantasien nachzugehen, soll nicht Thema dieses meines Kommentars sein, wäre aber wohl recht treffend mit dem etwas unwissenschaftlichen Ausdruck 'schlechtes Gewissen' zu umreißen. Doch will mir wirklich nicht recht einleuchten, warum ihr meint, euch selbst durch die Veröffentlichung dieser eurer unterbewussten Phantasien dermaßen zum Gespött machen zu müssen.

Die Hauptaussage eures Artikels besagt jedoch, dass man euch durch die von euch aufgeführten Maßnahmen offenkundig zum Schweigen habe bringen wollen und dass hinter dieser Absicht einmal mehr die satuarische Gemeinschaft nicht nur zu vermuten sei. In diesem Punkt kann ich euch nur ersuchen, euch auf meine langjährige Erfahrung zu verlassen, wenn ich euch versichere, dass dieses Unterfangen, so es denn wahrhaft von Seiten der sogenannten Kinder Satuarias geplant gewesen wäre, mit Sicherheit einen größeren Erfolg erzielt haben dürfte, als es augenscheinlich der Fall war. Die von euch beschuldigte Personengruppe verfügt wahrlich über weitaus schlagkräftigere und wirkungsvollere Methoden als den bloßen Einsatz der Thesis 'Traumgestalt', um einen verhassten Redner gegen ihr eigen Wohl und Recht zum Schweigen zu bringen, so sie dies wünscht. Die satuarische Fluchmagie ist nur eines, wenn auch sicherlich das verwerflichste dieser Mittel.

Auf den Punkt gebracht, werter Collegus: Ich glaube nicht, dass die satuarische Gemeinschaft darauf aus ist, euch Schaden zuzufügen, um euch davon abzuhalten, eure irrationalen Thesen weiter zu verbreiten. Ich bezweifle, dass sie dies durch einen oder mehrere Eingriffe in eure Träume bereits getan hat oder tun wollte. Ich weiß, dass selbst wenn dem so wäre, ihr weder Grund für eine schwerwiegende Anklage noch für die weitere Belästigung der wissenschaftlichen Fachwelt mit euren privat persönlichen Traumerlebnissen hättet und sämtliche eurer nächtlichen Erlebnisse weit davon entfernt sind, eure Thesen betreffend die Götterlosigkeit der sogenannten Kinder Satuarias zu belegen oder auch nur zu stützen.

Die eigentliche Tragik an eurem Fall liegt jedoch darin, dass ihr offensichtlich in dem Glauben handelt, der Gildenmagie mit eurem Vorgehen in dieser Sache einen Gefallen zu tun, den sogenannten Kindern Satuarias jedoch schaden zu können. Zumindest ersteres möchte ich jedoch stark bestreiten, denn das unwissenschaftliche, hasserfüllte Bild, welches ihr durch die geradezu karikierende Darstellung eurer eigenen Person von einem studierten Magister eurer Gilde zeichnet, gereicht der Gildenmagie sicherlich nicht zum Vorteil und auch gewisslich nicht zur Freude. Darum kann ich an dieser Stelle wirklich nicht mehr tun, als euch bitten, eurer 'Berufung', die ihr offensichtlich ernsten Glaubens meint gefunden zu haben, zukünftig unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu frönen und eure grundlose und von mir persönlich als fanatisch und verachtenswert empfundene Jagd auf die sogenannten Kinder Satuarias wennschon nicht gänzlich einzustellen, so doch zumindest im Stillen zu führen, um einen weiteren Gesichtsverlust der Gildenmagie im Allgemeinen, eurer Akademie im Besonderen und eurer Person im Speziellen zu vermeiden.

Rukus Ambrosius, Magus

von: Frank Brosow
Erschienen in Opus no. 39 am 24.10.1999 als Reaktion oder Fortsetzung zu So erkennet die Wahrheit.

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