Opus veritatis scientiaeque

Der Schwarze Limbus    

26. Travia im 54. Götterlauf nach Hal

Titelblatt
Compilationen
Archiv
Compages
Suche
meistbetrachtete Artikel
zufälliger Artikel
Umfragen
Redaktion

Menü verstecken

Inhalt dieser Opus-Compilation:

  1. Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' - Vorwort
  2. Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (I.)
  3. Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (II.)
  4. Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (III.)
  5. Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (IV.)
  6. Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (V.)
  7. Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (VI.)
  8. Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (VII.)
  9. Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (VIII.)
  10. Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (IX.)
  11. Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (X.)
  12. Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XI.)
  13. Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XII.)
  14. Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XIII.)
  15. Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XIV.)
  16. Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XV.)
  17. Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XVI.)
  18. Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XVII.)
  19. Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XVIII.)
  20. Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XIX.)
  21. Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XX.)

Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral'

Vorwort

Auszüge aus dem gleichnamigen Kollektan
aller der Rohalszeit entstammenden Bände 
der 'Gespräche Rohals des Weisen' 
in freier Transkription, 
verfasst in der Sprache des Volkes, 
getätigt durch Lizentiatus Vitus Ehrwald,
Abgänger der Herzog-Eolan-Universität zu Methumis,
so geschehen im Jahre 2515 Horas zu Gareth 
mit gnädiger Unterstützung des Pentagontempels 
der Herrin Hesinde

Quid faciemus nos? - Was sollen wir tun?

Selbst 500 Götterläufe nach der Entstehung der 'Gespräche Rohals des Weisen' scheint diese Frage den kulturschaffenden Völkern Aventuriens nach wie vor ungeklärt. Die Götter haben uns die Vernunft geschenkt und uns damit in die Verantwortung gesetzt, all unser Handeln vor uns selbst und anderen zu legitimieren. Doch Glaube, Tradition und weltliches Recht geben uns eine Vielzahl von Handlungsweisen vor, denen zu folgen oftmals nicht bloß eine Sache des guten Willens, sondern häufig auch eine der rechten Entscheidung ist, denn allzu oft scheint uns durch das eine geboten, was das andere verbietet. 

Der himmlischen Kriegsherrin Rondra gilt der Kampf als ehrenhaft, doch die junge Göttin Tsa gemahnt uns, den Frieden zu wahren. Travia, die Göttin des Herdfeuers, spricht in ihren Lehren von Treue und Sittsamkeit, die schöne Göttin Rahja hingegen lobt den freimütigen Genuss. Phex, der Listenreiche, preist Humor als eine Tugend, doch wer nach den Lehren des schweigsamen Boron lebt, wird statt dessen seine Erfüllung in ernsthaftem Schweigen suchen. Der nicht weniger ernste Firun bringt uns Kälte, Eis und Schnee, doch solange er herrscht, ist es uns nicht möglich, im Sinne der gütigen Peraine Ackerbau zu betreiben. Der launenhafte Efferd heißt uns, unter den Elementen das Wasser zu ehren, Feuer jedoch zu meiden; sein göttlicher Bruder Ingerimm lehrt uns das genaue Gegenteil. Die allwissende Herrin Hesinde schließlich zeigt sich erfreut über unseren Umgang mit Magie, welche der Götterfürst Praios mit Bann und Geringschätzung belegt.

Dies sind nur einige Beispiele, welche aufzeigen sollen, wie oft wir uns in unser aller Leben für die Lehren des einen, damit jedoch gleichzeitig auch gegen die Gebote mindestens eines anderen der Zwölfe entscheiden. Auf die Konflikte, welche sich zudem mit den Weltanschauungen und Religionen anderer Kulturen ergeben (man könnte hier viele Völker, so etwa die Nivesen, Novadis, Maraskaner und Waldmenschen, ja sogar fremde Rassen wie Zwerge und Elfen als Beispiele heranziehen), soll an dieser Stelle erst gar nicht eingegangen werden. So sehr wir auch mit all unseren Kräften danach streben mögen, nie wird es uns gelingen, alle Gebote der Götter mit gleicher Strenge und Inbrunst zu befolgen, denn zu unterschiedlich ist selbst die Einheit der Zwölfe in ihren Lehren, als dass dieses Ziel jemals für uns erreichbar wäre.

Bedenkt man nun, dass auch die Fürsten unseres Kontinents, welchen es obliegt, für ihre Herrschaftsgebiete weltliches Recht zu schaffen, nicht ohne derartige Glaubensentscheidungen auskommen, und nimmt man hinzu, welch mannigfaltige, altehrwürdige Traditionen innerhalb der verschiedenen Kulturkreise vielleicht zusätzlichen Einfluss auf das Verhalten einer Gemeinschaft ausüben, so wird offensichtlich, wie schwer es ist, in unserem Leben nicht fortwährend gegen weltliches Recht, öffentliche Moral oder gar göttliche Lehren zu verstoßen, und es stellt sich die Frage, ob es uns unter diesen Bedingungen überhaupt möglich sein kann, in geistiger Einigkeit ein wahrhaft göttergefälliges Leben zu führen, das es wert ist, gelebt zu werden.

Die Moralphilosophie Rohals des Weisen

Die Antwort auf diese Frage ist jedoch seit langem schon gegeben, und niemand anderer zeigte sie uns auf als der große Rohal selbst, auch genannt der Weise. Rohal hält ein göttergefälliges Leben durchaus für möglich, und vor allem hält er es für unser aller Pflicht, ein solches Leben anzustreben. Als Weg zu diesem Ziel benennt er die wahrhafte Ethik, welche er als den Weg der goldenen Mitte bezeichnet, der nicht versucht, gezielt die Lehren eines einzelnen Gottes zu befolgen, sondern keinem der Zwölfe ernstlich zu missfallen.

Rohals moralphilosophische Lehre geht von dem Grundgedanken aus, dass das der göttlichen Schöpfung entstammende Leben mit all seinen mannigfaltigen Facetten vor Göttern wie vor Sterblichen das höchste Gut ist, welches man in unserer Sphäre wird finden können. Die kulturschaffenden Völker setzt er in die Pflicht, diesen Wert zu erkennen, sich ihrer Verantwortung gegenüber allem Lebenden bewusst zu werden und sich aktiv für dessen Erhalt und Förderung einzusetzen.

Für Rohal liegt der nicht weiter zu hinterfragende Endzweck des Lebens im Streben nach Glück, für das wir, wann immer wir es erfahren, dankbar sein sollten, denn es ist mitnichten selbstverständlich. Darum sollen wir uns um möglichst intensive Freude am Leben für uns und alle anderen Lebewesen der zwölfgöttlichen Schöpfung bemühen, Schmerz und Leid jedoch in jeglicher Form zu vermeiden trachten. Dies schaffen wir, indem wir uns vom gedankenlosen Dahinleben frei machen und uns stetig darin üben, andere bewusst so zu behandeln, wie wir selbst behandelt werden wollen - nicht jedoch, wie wir selbst von ihnen behandelt werden, denn dies würde das gegenwärtige Unrecht in der Welt nur erhalten, statt es zu beseitigen.

Der Weise warnt uns davor, nur das als unsere Ethik anzuerkennen, was sich leicht erreichen lässt, statt das erreichen zu wollen, was wahrhafte Ethik ist. Auch die schüchterne Furcht, angesichts der eigenen, ethischen Ideale von anderen als schwach und sentimental belächelt zu werden, lässt er nicht als Entschuldigung für ein verfehltes Leben gelten. Damit erklärt Rohal die Ethik zur ersten und höchsten Herausforderung in unser aller Leben, an der allein wir unseren wahren Wert vor Göttern und Menschen beweisen können.

Das Ergebnis dieses simplen Ansatzes ist ein vollständiges, moralphilosophisches System, welches uns unregelmäßig verteilt auf die 21 Bände der 'Gespräche Rohals des Weisen' überliefert wurde und nahezu alle Fragen der Sittlichkeit und Moral beantwortet, seien es nun solche nach ewiger Wahrheit, dem Ursprung des Bösen, der richtigen Erziehung, wirklichem Glück, dem Umgang mit Tugenden, dem Wesen der Liebe, einem göttergefälligen Recht, wahrhaftem Heldentum oder gar dem Sinn des Lebens. Ein halbes Jahrtausend hat der Bedeutung dieses Werkes nichts anhaben können, doch die Zahl derer, die Zugang zu diesem Wissen haben, ist noch immer sehr klein. Dies zu ändern und zu einem göttergefälligeren Miteinander aller vernünftigen Wesen Deres beizutragen, soll Intention und Ziel dieser Kolumne sein, welche ab der nächsten Ausgabe des Opus veritatis scientiæque wöchentlich erscheinen und über mehrere Götternamen hinweg die Moralphilosophie Rohals des Weisen ausführlich vorstellen wird.

Von dem Zustandekommen dieser Artikelreihe

Die 'Gespräche Rohals des Weisen' entstanden, wie allgemein bekannt sein dürfte, durch die Mitschrift von Aussprüchen des großen Philosophen, welche seine Schüler im Laufe mehrerer Generationen in Form einer lediglich chronologisch geordneten Sammlung von Zitaten in der Sprache der Gelehrten anfertigten. Wer jedoch meint, dies hätte zu einer nandusgefälligen Verbreitung dieser wertvollen Lehrinhalte auszureichen vermocht, irrt sich sehr, denn wie schon Rohal sagte: 

'Die Menschen scheinen zuweilen zu glauben, dass das Teilen von Wissen oder ethischen Erkenntnissen dem Teilen eines Kuchens gleichkomme, von dem einem selbst weniger bleibt, je mehr man davon abzugeben bereit ist. Das Gegenteil jedoch ist der Fall, denn eine Kerze, welche ihr Licht an eine andere weitergibt, wird darum selbst ja nicht erlöschen, gleichwohl ihr Anteil an der Helligkeit geringer werden wird und man ihr darum weniger Beachtung beimessen mag. Euch jedoch soll es nicht um die eigene Flamme, sondern um das Licht als solches gehen, denn alles andere wäre nichts als bloße Eitelkeit.'

Aufgrund dieser weisen Worte fasste ich den Entschluss, den moralphilosophischen Inhalt der 'Gespräche Rohals des Weisen' einer möglichst breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, auf dass diese gehaltvolle Botschaft gleichsam als Sauerteig in der Gesinnung der Welt endlich aufgehen und ihre segensreiche Wirkung entfalten kann. In den vergangenen Monaten wurde es mir ermöglicht, die Originale der 'Gespräche Rohals des Weisen' im Pentagontempel der Hesinde zu Gareth einzusehen, die dort niedergeschriebenen Zitate thematisch neu zu ordnen, in freier Transkription in die Sprache des Volkes zu übertragen und somit schließlich einen eigenständigen, moralphilosophischen Sonderband über Ethik und Moral aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen' zu extrahieren. 

Dieser neue Kollektan der Sittlichkeit ist in einem dem Original sehr ähnlichen Stil verfasst und zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht nur die wichtigsten Aussprüche des großen Rohal betreffend Sittlichkeit und Moral enthält, sondern darüber hinaus diese in einer leicht verständlichen Form und inhaltlichen Abfolge präsentiert, die dem Leser das Verständnis erleichtern, Zusammenhänge zwischen den einzelnen Gedankengängen verdeutlichen und die Lektüre zu einem ebenso anregenden wie kurzweiligen Leseerlebnis machen soll, ohne dafür jedoch einen ungebührlich hohen Preis an geistreichem Gehalt oder Authentizität gegenüber dem Original zu entrichten.

Mit dem erklärten Ziel, zu einer möglichst weiten Verbreitung der ethischen Lehren Rohals des Weisen beizutragen, wandte ich mich Anfang diesen Jahres an die Redaktion des Opus veritatis scientiæque, wo man meinen Vorschlag, den von mir angefertigten Text in dieser Postille zu veröffentlichen, mit großer Begeisterung aufnahm. Alsdann trat ich in beidseitig äußerst produktive Verhandlungen mit Adeptus Maior Eborëus Zachariad, mit welchem ich sehr schnell darüber einig wurde, den von mir zusammengestellten Kollektan zukünftig allwöchentlich als regelmäßige Kolumne in nicht zu umfangreichen, in sich geschlossenen und in ihrer Abfolge systematisch geordneten Lektionen der Leserschaft dieses Blattes zugänglich zu machen. Gleichwohl es sich bei diesen Inhalten nicht um solche arkaner Natur handelt, hoffen wir doch, mit der Präsentation dieser Artikelserie gemäß dem Interesse der Leserschaft des Opus veritatis scientiæque zu handeln und möglichst vielen Lesern dieses für uns alle so bedeutsame Thema näher bringen zu können.

Anmerkungen zu Inhalt und Auslegung

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal vorwegnehmend darauf hinweisen, dass es sich bei den in dieser Kolumne präsentierten Positionen um eine neu systematisierte, freie Übersetzung von Mitschriften verschiedener Dritter handelt, welche sich wiederum ausschließlich auf mündliche Äußerungen Rohals des Weisen stützen. Für einen uneingeschränkt hohen Grad an Authentizität bezogen auf Rohals tatsächliche philosophische Sichtweise der behandelten Themen kann ich euch, werte Leser, daher keine Garantie geben, sondern mich lediglich als Herausgeber dafür verbürgen, beim Erstellen dieses Textes nach besten Kräften sorgfältige, wissenschaftliche Arbeit geleistet zu haben.

Des weiteren bin ich mir bewusst, dass nichts unphilosophischer sein könnte, als auf irgendeinem Gebiet unumstößlich von einer Sichtweise überzeugt oder dogmatisch zu sein. Ich muss jedoch zugeben, dass die in dieser Artikelreihe präsentierte Darstellung die Sache der Moralphilosophie in ein so helles Licht rückt, dass ich gegenwärtig von keiner Theorie, die ich aus Überlegung und Argumenten gewinnen könnte, überzeugter sein kann als von dieser, und wann immer ich in einer heiklen Lage nicht sicher weiß, was zu tun ist, frage ich mich, wie Rohal nach seiner eigenen Lehre an meiner Stelle wohl gehandelt hätte. Nichtsdestotrotz ist dies nur meine persönliche Sichtweise und erfolge daher noch einmal der prophylaktische Hinweis, dass es sich bei dieser Artikelreihe ähnlich dem Original, aus welchem sie hervorgegangen ist, im Grunde um historische Dokumente handelt, welche nicht vollkommen losgelöst von ihrem geschichtlichen Kontext und dem politischen, religiösen wie kulturellen Standpunkt ihres Verfassers interpretiert werden sollten. Ohne Zweifel hat das Werk auch heute noch uneingeschränkte Gültigkeit, doch will es lediglich die philosophische Position eines großen Mannes der aventurischen Geschichte wiedergeben, keinesfalls jedoch den Anspruch erheben, ewige Wahrheiten zu formulieren, obgleich die Autorität des großen Rohal solches nahe legen mag.

In Ergänzung dazu sei angemerkt, dass die systematisierende Übersetzung eines Kollektans aus einzelnen, ungeordneten Sinnsprüchen in eine andere Sprache niemals die literarische Qualität einer fließend niedergeschriebenen Novelle erreichen kann und den Übersetzer darüber hinaus recht häufig zu sprachlichen Kompromissen zwingt, welche ich bitte, mir an dieser Stelle wohlwollend nachzusehen. Als Beispiel sei hier stellvertretend für viele andere die Verwendung der Begriffe 'Mensch' und 'Menschheit' genannt, welche in dieser Artikelserie nahezu ausschließlich als simplifizierende Umschreibungen zu verstehen sind und im eigentlichen Sinne einzelne, vernunftbegabte Wesen mit der Fähigkeit zum Mitgefühl, beziehungsweise den Oberbegriff über all diese Wesen bezeichnen sollen. Rohals Moralphilosophie ist also durchaus universal zu verstehen und lässt sich nicht nur auf Menschen, sondern auf alle kulturschaffenden Rassen und Völker mit der gleichen Berechtigung anwenden.

Anmerkungen und Kritik zu dieser Artikelreihe, welche über die genannten Punkte hinausgehen, bitte ich, direkt an mich zu richten. Sie werden - soweit möglich - persönliche Beantwortung finden und gegebenenfalls im Anschluss an die vollständige Veröffentlichung des Textes in dieser Postille neu zur Diskussion gestellt werden, wenn bei allen Lesern die vollständige Kenntnis des zu diskutierenden Gegenstandes vorausgesetzt werden kann. In Übereinstimmung mit der Redaktion des Opus veritatis scientiæque wurde jedoch beschlossen, eine inhaltliche Diskussion der hier präsentierten Moralphilosophie in diesem Blatt erst nach deren vollständiger Veröffentlichung zuzulassen, um dem Text die Möglichkeit zu geben, eventuell auftauchende Fragen an anderer Stelle selbst zu beantworten.

Danksagung

Schließen möchte ich dieses einleitende Vorwort mit einer Danksagung an all jene, ohne die dieses ehrgeizige Projekt sich niemals hätte verwirklichen lassen. Mein besonderer Dank gilt den Geweihten des Pentagontempels der Hesinde zu Gareth, welche mir die Abschrift der 'Gespräche Rohals des Weisen' und deren Veröffentlichung als eigenständigen Kollektan überhaupt erst möglich gemacht haben. Ich danke dem Curriculum scientiae limbologicae, besonders Adeptus Maior Eborëus Zachariad, welcher auf die vorbereitende Korrespondenz mit mir viel Zeit verwendet hat, für die Möglichkeit, mein Werk in dieser Postille zu veröffentlichen. Meinem Dienstherrn Satu Drudner schulde ich Dank für mannigfaltige Unterstützung jedweder Art, sei es nun in Form zeitlicher Freistellung, finanzieller Förderung oder inspirierender Gespräche. Dem Geweihten des Nandus Lucianus Spiritus, sowie dem Gelehrten Emano Nebelweiher danke ich für ihre kompetenten Rezensionen meines Werkes, welche mir stets ein wichtiger Antrieb waren. Nicht unerwähnt bleiben sollen an dieser Stelle auch die Seelenheilerin Leodane Spinosa und der Rechtsgelehrte Doctor Abelmir Plantanego, welche ebenfalls großen Einfluss auf die Entstehung meines Werkes genommen haben. Ich danke fürderhin der Herzog-Eolan-Universität zu Methumis, besonders der Fakultät für göttliches und menschliches Recht, wo man mich zum ersten Male mit den Schriften Rohals des Weisen bekannt machte, und meinem Mentor, dem Hesindegeweihten Voltan, den die Fertigstellung meines Werkes sicherlich mit Stolz erfüllt hätte, so er sie noch hätte erleben dürfen.

Lizentiatus Vitus Ehrwald
Abgänger der Herzog-Eolan-Universität zu Methumis

Erschienen in Opus no. 100 am 18.3.2001.
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (I.).


Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (I.)

Auszüge aus dem gleichnamigen Kollektan
aller der Rohalszeit entstammenden Bände 
der 'Gespräche Rohals des Weisen' 
in freier Transkription, 
verfasst in der Sprache des Volkes, 
getätigt durch Lizentiatus Vitus Ehrwald,
Abgänger der Herzog-Eolan-Universität zu Methumis,
so geschehen im Jahre 2515 Horas zu Gareth 
mit gnädiger Unterstützung des Pentagontempels 
der Herrin Hesinde

Über das rechte Leben

Meister, sagt, wir verehren die Zwölfe und bemühen uns redlich um ein Leben in ihrem Sinn, doch was wir im Geiste des einen zu tun bestrebt, mag oft den Lehren des anderen widersprechen; was können wir tun, um ein Leben im Sinne der Zwölfe zu führen, ohne einem von ihnen zu missfallen?

Wohl dem, der einen Gott verehrt, an den sein Herz er hängen kann, doch wehe dem, der Seinesgleichen gering zu achten sich erdreistet, nur weil er sieht, wie ungleich achtenswerter sind die Zwölfe. Wer den Göttern wahrhaft dienen will, wird stets bemüht sich zeigen, die von ihnen geschaffene Schöpfung und Ordnung zu erhalten und seinen Brüdern und Schwestern mit Respekt und Anteilnahme zu begegnen. Denn seht, ein jeder Mensch ist den Göttern von Wert, und wenn den Wert der anderen ihr nicht erkennt und schätzt, ihn vielmehr durch gleichgültige Ignoranz herabwürdigt, so wertet ihr die ganze Menschheit ab und damit auch euch selbst und den Wert eurer Verehrung für die Zwölfe.

Über den Dienst an Göttern und Menschen

Meister, sagt, wenn wir die Menschen zu sehr achten, berauben wir die Götter damit nicht der Achtung, die sonst wir für unseren Dienst an ihnen und für unser Seelenheil gern aufgewendet?

Der Dienst an den Göttern ist ehrenvoll und wichtig für euer Seelenheil. Doch auch der Dienst an den Menschen ist ehrenvoll und wird euch nicht weniger zum Seelenheil gereichen. So ihr jedoch meint, im Handeln für die Götter gegen die Menschen grausam oder gleichgültig verfahren zu können, wirkt ihr eurem Seelenheil zuwider, denn welcher Gott sollte euch nach eurem Leben in seiner und seiner Liebsten Nähe wissen wollen, wenn er sieht, dass ihr die, welche zu euren Lebzeiten in eurer Nähe gewesen, nicht mit Respekt und Achtung zu behandeln wusstet! Darum sorgt euch nicht zu sehr um euer Seelenheil, denn wer solches tut, dem gilt Selbstsucht mehr als Göttertreue. Wer stets jedoch sich auch um andere bemüht, zeigt weitaus mehr seine Liebe zu den Göttern und ihrer Schöpfung.

Über den Sinn für das Richtige

Meister, sagt, wie können wir erkennen, ob wir im Sinne der Zwölfe handeln, wo sich ihre Lehren doch in so vielen Punkten voneinander unterscheiden?

Alles, was ist, hat seinen Ursprung im Willen der Götter, welche die Welt in ihrem Sinn geschaffen haben. Auch ihr seid allesamt geschaffen durch der Götter Willen, und sie schufen euch so, dass ihr zu erkennen vermögt, was in ihrem Sinne ist. Wenn ihr daher als Einzelne handelt, so hört auf euer Herz, und ihr werdet wissen, was ihr tun sollt! Doch lasst es nie verrohen und erhaltet euch eure Empfindsamkeit, damit der Rat aus eurem Innersten euch niemals täusche, so dass ihr ihn mit dem Drang nach der Verfolgung eurer eigennützigen Interessen verwechseln mögt. Wenn ihr als Gemeinschaft handelt, dann folgt der geltenden Moral, handelt ihr als Untertanen, so folgt dem euch gegebenen Recht. Doch seid nicht blind dabei und erinnert euch stets an den göttlichen Kern, den jeder Einzelne von euch in sich trägt und auf den zu hören eure oberste Pflicht ist.

Erschienen in Opus no. 101 am 25.3.2001 als Reaktion oder Fortsetzung zu Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' - Vorwort.
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (II.).


Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (II.)

Auszüge aus dem gleichnamigen Kollektan
aller der Rohalszeit entstammenden Bände 
der 'Gespräche Rohals des Weisen' 
in freier Transkription, 
verfasst in der Sprache des Volkes, 
getätigt durch Lizentiatus Vitus Ehrwald,
Abgänger der Herzog-Eolan-Universität zu Methumis,
so geschehen im Jahre 2515 Horas zu Gareth 
mit gnädiger Unterstützung des Pentagontempels 
der Herrin Hesinde

Über das weltliche Recht

Meister, sagt, ist uns das Recht nicht gegeben durch der Götter Willen, und genügt es daher nicht, dem Recht zu folgen, um in der Götter Sinn zu handeln?

Nicht das Recht ist den Menschen gegeben durch der Götter Willen, sondern der Auftrag, sich selbst ein Recht zu schaffen, das in ihrem Sinne ist. Gehorsam schuldet ihr nur demjenigen Recht, welches der Götter Willen nicht missachtet. Jeder weltliche Herrscher, in dessen Macht es liegt, Gesetze zu erlassen, soll dies im Bewusstsein seiner Pflicht tun, den Willen der Götter zu erkennen und in seinem Reiche umzusetzen, denn Führung meint nicht Herrschaft, sondern die Kunst, andere anzuleiten, für ein gemeinsames Ziel zu arbeiten. Es mag Gesetze geben, die allein der Ordnung dienend nötig oder nützlich sind, auch ohne dass auf einen tieferen Sinn sie sich zurückführen ließen. Doch widersprechen sie dem göttlichen Willen, so gilt die Pflicht des Einzelnen nur diesem, und stets ist demjenigen Recht der Vorzug zu geben, das selbst sich fest auf göttlichen Willen stützt.

Über die weltlichen Gesetze

Meister, sagt, welchen Sinn haben die Gesetze, so sie nicht Selbstzweck sind?

Sinn der weltlichen Gesetze ist es, Anleitung zur Verwirklichung des Willens der Götter auf Dere zu sein und eine gerechte Ordnung unter den Menschen aufrecht zu erhalten. Das Recht ist eine Gewalt, die der Gewalt das Recht streitig macht. Doch etwas ist nicht recht, weil es Gesetz ist, sondern etwas muss Gesetz sein, weil es recht ist. Wenn es aber nicht nötig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es nötig, kein Gesetz zu machen. Gebt acht, dass ihr nicht eines Tages unter den Gesetzen mehr noch leidet, als unter den Verbrechen, die sie unterbinden sollen. Das Gefährliche an Gesetzen ist, dass man oft nicht mehr darüber nachdenkt, wann sie zu ändern wären. Das Vergessen der Absichten ist vielleicht die häufigste Dummheit, die gemacht wird. Und trotz aller Gesetze wird wahrhafte Gerechtigkeit nur dort herrschen, wo sich die nicht Betroffenen über ein Unrecht genauso entrüsten wie die Geschädigten.

Über das göttergefällige Recht

Meister, sagt, wie schafft ein Fürst göttergefälliges Recht?

Das Recht verdient nur dann wahrhaftig seinen Namen, so es sich um Gerechtigkeit bemüht. Wer Gesetze erlassen kann, soll über deren Folgen für sich selbst und alle anderen sich im Klaren sein. Wenn einer Recht schafft, das für alle gelten soll, dann soll er beim Erdenken der Gesetze alle zugleich sein. Er soll vergessen, wer er ist und was er hat, so dass er annehmen kann, als Adliger wie als Bettler, als Mann wie als Frau, als Bürger wie als Bauer, als Junger wie als Greis, als jeder also, für den sein Recht dann gelten soll, seinen eigenen Gesetzen ausgeliefert zu sein. Unter dem Schleier des Nichtwissens um seine eigene Rolle in der Welt soll er das Recht erschaffen, auf dass er es in jeder denkbaren Rolle selbst für sich als gerecht empfinden oder es ändern möge. Nur dann kann er sich sicher sein, zum Wohle seines Landes ein vor Göttern und Menschen gültiges Recht geschaffen zu haben.

Erschienen in Opus no. 102 am 1.4.2001 als Reaktion oder Fortsetzung zu Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (I.).
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (III.).


Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (III.)

Auszüge aus dem gleichnamigen Kollektan
aller der Rohalszeit entstammenden Bände 
der 'Gespräche Rohals des Weisen' 
in freier Transkription, 
verfasst in der Sprache des Volkes, 
getätigt durch Lizentiatus Vitus Ehrwald,
Abgänger der Herzog-Eolan-Universität zu Methumis,
so geschehen im Jahre 2515 Horas zu Gareth 
mit gnädiger Unterstützung des Pentagontempels 
der Herrin Hesinde

Über das Erkennen des göttlichen Willens

Meister, sagt, wie sollen wir erkennen, was im Sinne der Götter ist, wenn selbst ein Fürst sich dabei irren mag; ist dieses zu ergründen nicht viel mehr Aufgabe der Kirchen, und ist es nicht vermessen, sich selber derlei anzumaßen?

So ihr den Willen eines einzelnen Gottes zu ergründen sucht, soll euer erster Weg stets der zu den Geweihten sein. Doch so viele Götter da sind, so viele Antworten werdet ihr erhalten, und was ihr wirklich tun sollt, um keinem der Zwölfe zu missfallen, wird weiter euch verschlossen bleiben. Die Kirchen erhalten auf ihre Art ein im Sinne der Götter ordnendes Gleichgewicht, indem jede nach Kräften die Lehren ihres Gottes vertritt. Ihr jedoch, so ihr allen Zwölfen dienen wollt, bemüht euch um Ethik, die goldene Mitte, und diese kann euch nur ein reines Herz aufzeigen. Eure wahrhafte Pflicht ist es, euch ein solches zu bewahren, denn hier, in eurem euch von den Göttern gegebenen Selbst, liegt der Ursprung jedweder Ethik und Moral.

Über die Moral

Meister, sagt, was versteht ihr unter Moral?

Moral ist das Produkt der beiden imaginären Größen Sollen und Wollen, das selbst sich in seiner Realität nicht leugnen lässt. Ihr nennt Moral, was die Menschheit oder ein bestimmter Teil von ihr auf dem Weg zur ethischen Vollkommenheit bereits zurückgelegt hat. In diesem Sinne könnt Moral ihr als gesellschaftlichen Begriff und als Mittelwert der ethischen Praxis der Einzelnen einer Gruppe verstehen. Das Ziel ist stets die Ethik, doch da der Mensch von geringer Stärke ist und sich in seinem Handeln wie in seiner Erkenntnis unterschiedlich schnell entwickelt, bleibt meist zweierlei, was ist und was sein sollte. Ihr sollt euch daher stets bemühen, ethischer zu sein als die Moral, welche selbst nur Mittelmaß zu sein vermag. Der Tag, an dem wahrhafte Ethik und gesellschaftliche Moral in Theorie und Praxis übereinstimmen, wird der Tag größten zwölfgöttlichen Wohlgefallens sein.

Erschienen in Opus no. 103 am 8.4.2001 als Reaktion oder Fortsetzung zu Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (II.).
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (IV.).


Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (IV.)

Auszüge aus dem gleichnamigen Kollektan
aller der Rohalszeit entstammenden Bände 
der 'Gespräche Rohals des Weisen' 
in freier Transkription, 
verfasst in der Sprache des Volkes, 
getätigt durch Lizentiatus Vitus Ehrwald,
Abgänger der Herzog-Eolan-Universität zu Methumis,
so geschehen im Jahre 2515 Horas zu Gareth 
mit gnädiger Unterstützung des Pentagontempels 
der Herrin Hesinde

Über die wahrhafte Ethik

Meister, sagt, ihr redet von der wahrhaften Ethik und versichert uns, dass wir sie in unseren Herzen finden, aber wie kommt es, dass keiner zu sagen vermag, welchen Inhalts diese oberste aller Handlungsrichtlinien ist?

Ein jeder von euch trägt die Anleitung zu wahrhafter Ethik bereits in sich, doch nicht auf eine Weise, wie Gesetze in einem Buch niedergeschrieben sind, sondern indem euch der Sinn und der Wunsch gegeben wurden, zwischen gut und schlecht zu unterscheiden. Ihr mögt euch dies wie eine Schale vorstellen, die ein jeder von euch im Herzen trägt, die ihr jedoch selbst mit euren eigenen Erkenntnissen erst füllen müsst. Der Wunsch, in dieser Schale nur die größten Kostbarkeiten zu sammeln, ist eure Willenskraft. Der Sinn, der es euch ermöglicht, solche Kostbarkeiten zu erkennen, ist euer Mitgefühl. Ausgestattet mit diesen Werkzeugen muss ein jeder seine eigene Ethik finden, und es ist die Pflicht jedes Einzelnen, sich darum zu bemühen.

Über die Willenskraft

Meister, sagt, wie können wir unseren Willen festigen, um das Ziel der ethischen Vollkommenheit niemals aus den Augen zu verlieren?

Es gibt keinen Weg zu einem festen Willen. Es gibt nur ein Ziel. Was ihr Weg nennt, ist Zögern. Jeder kann so stark sein, wie er nur sein will, wenn es um die Stärke geht, an einem einmal gefassten Entschluss festzuhalten. Was euch schwach werden lässt, sind euer Hang zu Müßiggang und eure Angst, in deren Überwindung ihr euch üben müsst. Erkenntnis verpflichtet zum richtigen Handeln, und der richtige Weg wird in den wenigsten Fällen der leichteste sein. Der Wille zur Ethik ist eine permanente Entscheidung für die Interessen anderer, und diese fällt euch um so leichter, je besser es euch selbst geht, je weniger Sorgen ihr euch um euer eigenes Leben zu machen braucht, und je mehr Mitgefühl ihr euch zu erhalten vermögt. Die Pflicht zum festen Willen aber bleibt für alle gleich, ungeachtet aller Umstände.

Über das Mitgefühl

Meister, sagt, wenn uns die Fähigkeit zum Mitgefühl angeboren ist, wie kommt es dann, dass nicht alle Menschen in gleicher Weise empfindsam sind?

Die Fähigkeit des Mitgefühls ist jedem Menschen in die Wiege gelegt, so wie jeder gesunde Mensch auch in der Lage ist, auf seinen zwei eigenen Beinen zu laufen, mit seinen Augen zu sehen oder mit seiner Zunge zu schmecken. Doch wie der Athlet, der stark sich stets darum bemüht, schon bald wird deutlich schneller laufen, so wie wir unser Auge schulen können, auf das Entscheidende zu achten und unsere Zunge erst lehren müssen, den einen Wein vom nächsten wohl zu scheiden, so bedarf auch unser Mitgefühl der Förderung durch stete Übung und stetes Bemühen. Ein jeder muss die Welt für sich zuerst erfahren, denn Erfahrungen sind Maßarbeit und passen nur dem, der sie macht. Erst daran wird er innerlich wachsen, und durch Erziehung und Belehrung könnt ihr bestenfalls die Richtung ihm weisen, nicht jedoch seinen Weg bestimmen.

Erschienen in Opus no. 104 am 15.4.2001 als Reaktion oder Fortsetzung zu Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (III.).
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (V.).


Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (V.)

Auszüge aus dem gleichnamigen Kollektan
aller der Rohalszeit entstammenden Bände 
der 'Gespräche Rohals des Weisen' 
in freier Transkription, 
verfasst in der Sprache des Volkes, 
getätigt durch Lizentiatus Vitus Ehrwald,
Abgänger der Herzog-Eolan-Universität zu Methumis,
so geschehen im Jahre 2515 Horas zu Gareth 
mit gnädiger Unterstützung des Pentagontempels 
der Herrin Hesinde

Über die Jugend

Meister, sagt, ist die Jugend wahrhaft bereit für Ethik, oder muss der Mensch erst zur Reife gelangen, bevor dauerhaft ethisch er handeln kann?

Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Kinder widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer. Und doch ist das Schlechteste, was ihr über die Jugend sagen könnt, dass ihr nicht mehr dazu gehört. Die Menschen und die Gurken taugen nichts, sobald sie reif sind. Was ihr gewöhnlich als Reife an einem Menschen zu sehen bekommt, ist resignierte Vernünftigkeit. Deshalb hütet euch davor, jemals ganz erwachsen zu werden! Das große Geheimnis ist, unverbraucht durchs Leben zu gehen. Bewahrt euch die Ideale der Jugend, denn in ihnen sind das Wissen und die Kraft darum, wie der Mensch sein soll. Lehrt eure Kinder nicht, ihre Ideale zu Gunsten der Wirklichkeit aufzugeben, sondern in sie hinein zu wachsen, auf dass das Leben sie ihnen nicht mehr zu nehmen vermag.

Über die Erziehung

Meister, sagt, wie sollen wir unsere Kinder erziehen, auf dass sie ethische Menschen mit einem gefestigten Charakter werden, deren Ideale den Widrigkeiten des Lebens standzuhalten vermögen?

Auf drei Wegen sollt ihr eure Kinder erziehen: auf dem des Denkens, dem des Fühlens und dem des Handelns. Sprecht ihr Herz an, und ihr werdet sie für das Denken empfänglich machen. Lehrt sie das Denken, nicht Gedachtes, und sie werden zu Erkenntnis gelangen. Helft ihnen, aus ihrer Erkenntnis Taten werden zu lassen, und sie werden richtig handeln. Lasst sie sich im richtigen Handeln üben, und sie werden ethische Menschen werden. Um ihr Herz anzusprechen, lasst sie das Leben selbst in einem Maße erfahren, das sie bewältigen können. Um ihren Geist zu schärfen, vermittelt ihnen Bildung und den Umgang mit dieser. Um sie zum Handeln zu bewegen, seid als Lehrmeister stets ein gutes Vorbild. Und um all dies zusammenzuhalten, baut auf Liebe, Respekt und Vertrauen.

Über die Bildung

Meister, sagt, was versteht ihr unter wahrhafter Bildung?

Hohe Bildung könnt ihr dadurch beweisen, dass ihr komplizierte Dinge auf einfache Art zu erläutern versteht. Bücher, die nicht geschrieben werden, damit man daraus lerne, sondern damit man nur wisse, dass der Verfasser etwas gewusst hat, sind von geringem Wert. Wissen ist Macht, doch wahrhaft gebildet ist, wer weiß, wo er findet, was er nicht weiß. Darum übt euch nicht darin, viel zu wissen, sondern darin, viel zu denken. Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt. Habt den Mut, euch eures eigenen Verstandes zu bedienen und wisset, wo eure Grenzen liegen! Der Gebildete treibt die Genauigkeit nicht weiter, als es der Natur der Sache entspricht. Er ist im Besitz von Ideen, nicht jedoch von Ideen besessen. Und denkt daran: Wer das Denken zur Hauptsache macht, kann es darin zwar weit bringen, aber er hat doch den Boden mit dem Wasser vertauscht, und irgendwann wird er ertrinken.

Über den guten Lehrmeister

Meister, sagt, was zeichnet einen guten Lehrmeister aus?

Ein guter Lehrmeister macht alles so einfach wie möglich, aber nicht einfacher. Er kennt den Wandel der Zeit und wandelt sich mit der Welt. Wer sich an seine eigene Kindheit nicht deutlich erinnert, ist ein schlechter Erzieher. Darum, wenn ihr ein gutes Vorbild abgeben wollt, setzt eurer Tugend eine Unze Narrheit hinzu! In euch muss brennen, was ihr in anderen entzünden wollt. Seid authentisch und folgt auch selbst den Regeln, die ihr aufstellt! Die meisten Menschen sind durchaus gewillt, etwas zu lernen, doch nur die wenigsten, sich belehren zu lassen. Bemüht euch daher stets, Ideen in den Menschen zu wecken, statt sie ihnen bloß vorzutragen. Lang ist der Weg durch Lehren, kurz und wirksam durch Beispiele. Eine gute Rede soll das Thema erschöpfen, nicht die Zuhörer. Darum redet, worüber ihr wollt, aber nie über eine halbe Stunde. Schätzt Fragen ebenso hoch wie Antworten und steht dazu, selbst unvollkommen zu sein. 

Erschienen in Opus no. 105 am 23.4.2001 als Reaktion oder Fortsetzung zu Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (IV.).


Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (VI.)

Auszüge aus dem gleichnamigen Kollektan
aller der Rohalszeit entstammenden Bände 
der 'Gespräche Rohals des Weisen' 
in freier Transkription, 
verfasst in der Sprache des Volkes, 
getätigt durch Lizentiatus Vitus Ehrwald,
Abgänger der Herzog-Eolan-Universität zu Methumis,
so geschehen im Jahre 2515 Horas zu Gareth 
mit gnädiger Unterstützung des Pentagontempels 
der Herrin Hesinde

Über die Erfahrungen

Meister, sagt, wächst der Mensch an jeder Art von Erfahrung?

Erfahrungen sind wichtig, um euch zu denen zu machen, die ihr seid, denn nichts ist im Verstand, was nicht zuvor in den Sinnen war. Doch nicht an allen Erfahrungen vermag der Mensch zu wachsen. Die meisten werden wohl folgenlos bleiben für die Entwicklung seines ethischen Sinns, und wieder andere werden ihn weit zurückwerfen auf dem Weg, den er bereits beschritten hat. Darum sollt ihr einen jungen Menschen anleiten und ihn vor schädlichen Einflüssen bewahren, bis dass er im Herzen gestärkt ist und auch die Schattenseiten des Lebens zu ertragen vermag. Und auch ihr sollt euer ganzes Leben hindurch darauf achten, euch euer Mitgefühl zu erhalten und nicht durch Abstumpfung verderben zu lassen. Denn Abstumpfung führt zu Gleichgültigkeit, und Gleichgültigkeit führt zu Stillstand. Wer sich jedoch durch nichts mehr bewegen lässt, ist innerlich tot und des Namens Mensch nicht länger würdig.

Über den Umgang mit schlechten Erfahrungen

Meister, sagt, wie schützen wir uns vor Resignation und Verzweiflung angesichts der Schlechtigkeit der Welt?

Wer über gewisse Dinge den Verstand nicht verliert, hat keinen zu verlieren, und allzu oft ist Erfahrung nichts weiter als eine Parodie auf die Idee. Weigert euch nicht, das Schlechte in der Welt zur Kenntnis zu nehmen, weigert euch bloß, euch ihm zu unterwerfen! So euer Charakter wahrhaft gefestigt ist, euer Wille nicht erlahmt und euer Mitgefühl euch nicht verloren gegangen, solange sollt ihr allem Übel der Welt stets ein 'und dennoch' entgegensetzen. Seid im Erkennen Pessimist, im Handeln jedoch Optimist! Trennt euch nie von euren Illusionen, denn sind sie erst einmal verschwunden, so mögt ihr noch existieren, aber ihr werdet aufgehört haben zu leben. Möge eure Hoffnung eintreffen oder nicht, so hat sie doch den Vorteil, die Furcht zu vertreiben und euch als Menschen am Leben zu erhalten. Ohne sie seid ihr nichts mehr, darum haltet an ihr fest!

Über die Hindernisse auf dem Weg zum guten Leben

Meister, sagt, es klingt so einfach, was ihr uns ratet, doch ist der Mensch nicht schwach und wird er dem beschwerlichen Weg zur Ethik auch wirklich gewachsen sein?

Der Weg zur ethischen Vollkommenheit ist durchaus nicht leicht, und gerade wenn die Menschen das Vertrauen in Personen verlieren, die auf dem Weg zur Ethik gescheitert sind, verlieren sie oft auch das Vertrauen in die Allgemeinheit. Doch wer ans Ziel getragen wurde, darf nicht glauben, es erreicht zu haben. Auch aus Steinen, die euch in den Weg gelegt werden, könnt ihr etwas Schönes bauen, und der Mensch ist durchaus in der Lage, Hindernisse zu überwinden. Denkt immer daran: Nicht der Wind, sondern die Segel bestimmen den Kurs. Die größte Entscheidung eures Lebens liegt darin, dass ihr euer Leben ändern könnt, indem ihr eure Geisteshaltung ändert. Darum sollte man auch nicht von der Kunst sprechen, glücklich zu sein, sonder von der Fähigkeit, sich als ganzer Mensch glücklich zu fühlen, was euch stets ein wichtiger Antrieb sein mag.

Erschienen in Opus no. 106 am 29.4.2001.
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (VII.).


Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (VII.)

Auszüge aus dem gleichnamigen Kollektan
aller der Rohalszeit entstammenden Bände 
der 'Gespräche Rohals des Weisen' 
in freier Transkription, 
verfasst in der Sprache des Volkes, 
getätigt durch Lizentiatus Vitus Ehrwald,
Abgänger der Herzog-Eolan-Universität zu Methumis,
so geschehen im Jahre 2515 Horas zu Gareth 
mit gnädiger Unterstützung des Pentagontempels 
der Herrin Hesinde

Über das Glück

Meister, sagt, was ist Glück und wie können wir es erreichen?

Solange Leben da ist, gibt es auch Glück, und der Mensch ist gerade so glücklich, wie er es seinem eigenen Entschluss nach sein will. Glück ist Selbstgenügsamkeit, denn nicht wer wenig hat, sondern wer viel wünscht ist arm. Wunschlosigkeit hingegen führt zu innerer Ruhe. Die Menschen neigen dazu, den Wert der Dinge, die sie nicht erlangen konnten, zu überschätzen, denn die Dinge haben nur den Wert, den ihr ihnen beimesst, und überall dort, wo ihr es antrefft, müsst ihr euch das heraussuchen, was gut für euch ist. Ein guter Freund mag mehr zu eurem Glück beitragen als tausend Feinde zu eurem Unglück. Das größte Glück des Lebens besteht wahrscheinlich in der Überzeugung, geliebt zu werden. In all seinen Formen mag das Glück euer Antrieb sein, euch immer wieder gegen die Versuchung der Resignation zu stemmen. Vergleichen jedoch ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.

Über die Freundschaft

Meister, sagt, wie erkennt man einen wahrhaften Freund?

Ein wahrhafter Freund ist eine Seele in zwei Körpern. Er fragt nicht danach, was ihr für ihn tun könnt, sondern freut sich, etwas für euch tun zu können. Und doch braucht ihr Freunde nicht, um sie zu brauchen, sondern um die Gewissheit zu haben, dass ihr sie brauchen dürft. Wahrhafte Freundschaft findet ihr einzig dort, wo ihr Schwäche zeigen könnt, ohne Stärke zu provozieren. Nie sollt ihr euch darum sorgen, dass eure Freunde werden wie ihr, noch dass sie werden, wie ihr sie euch wünscht. Tragt einzig Sorge dafür, dass sie so werden, wie sie selbst es gern sein wollen, ohne darauf zu bestehen, dass sie euch damit zufrieden stellen. In eurer Kritik seid rückhaltlos dem Freunde gegenüber, doch seid ihm stets ein Rückhalt gegenüber der Kritik anderer. Gebt ihm das Gefühl, von euch bedingungslos als ganzer Mensch angenommen zu sein, und seid für ihn da, wann immer er euch braucht.

Über die Liebe

Meister, sagt, was ist wahrhaftige Liebe?

Liebe ist der Entschluss, das Ganze eines Menschen zu bejahen, die Einzelheiten mögen sein, wie sie wollen. Sie allein versteht das Geheimnis, andere zu beschenken und dabei selbst reich zu werden und ist das einzige, das mehr wird, wenn ihr es verschwendet. Wenn ihr daher geliebt werden wollt, so liebt! Jemanden lieben bedeutet völlige Hingabe und als einziger ein für andere unsichtbares Wunder sehen. Am Anfang eines jungen Lebens gehören oft alle Gedanken der Liebe, später dann gehört meist alle Liebe den Gedanken, denn jede enttäuschte Liebe macht ein bisschen immun gegen die nächste. Dennoch wird so manch einer sagen, die Summe seines Lebens seien diejenigen Stunden gewesen, in denen er liebte. Nichts sein und nichts lieben ist für den Menschen identisch. Drum Kindlein, liebt euch, und wenn das nicht gehen will, lasst wenigstens einander gelten!

Über die Liebe zu sich selbst

Meister, sagt, ist Eigenliebe frevelhaft?

Wer in sich selbst verliebt ist, hat bei seiner Liebe zumindest den Vorteil, dass er nicht viele Nebenbuhler haben wird, doch wer andere gegenüber sich selbst gering schätzt, wird niemals ethische Vollkommenheit erlangen. Dennoch werdet ihr einander nicht lieben können, wenn ihr euch selbst nicht zu lieben vermögt. Lernt darum, die zu werden, die ihr sein wollt und lieben könnt! Wenn ihr selbst euch zu gering schätzt, werdet auch andere ihr schwerlich achten können. So ihr erkennt, dass ihr euch selbst nicht mehr liebt, ändert euch, euer Leben und eure Gesinnung, und stärkt so euren inneren Wert. Die große Schuld des Menschen ist, dass er jeden Tag zur Umkehr fähig ist und es nicht tut. Wer 'A' sagt, muss nicht auch 'B' sagen, wenn er erkannt hat, dass 'A' falsch war. Doch schlechte Angewohnheiten kann man nicht einfach aus dem Fenster werfen. Man muss sie Stufe für Stufe die Treppe hinunter treiben.

Erschienen in Opus no. 107 am 6.5.2001 als Reaktion oder Fortsetzung zu Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (VI.).
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (VIII.).


Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (VIII.)

Auszüge aus dem gleichnamigen Kollektan
aller der Rohalszeit entstammenden Bände 
der 'Gespräche Rohals des Weisen' 
in freier Transkription, 
verfasst in der Sprache des Volkes, 
getätigt durch Lizentiatus Vitus Ehrwald,
Abgänger der Herzog-Eolan-Universität zu Methumis,
so geschehen im Jahre 2515 Horas zu Gareth 
mit gnädiger Unterstützung des Pentagontempels 
der Herrin Hesinde

Über das Gute

Meister, sagt, was genau meint der Begriff des Guten?

Das Gute ist leichter zu erkennen als zu identifizieren. Gut nenne ich das, was seinen Zweck erfüllt. Schlecht nenne ich das, was seinen Zweck nicht erfüllt. Böse nenne ich das, was sich bewusst weigert, seinen Zweck zu erfüllen. Ethisch nenne ich das, was seinen Zweck bewusst erfüllt. Ein Schwert nennt ihr gut, wenn ihr euren Gegner damit wirkungsvoll bekämpfen könnt, mag der Kampf selbst auch tadelnswert sein. Um nun aber gute und damit ethische Menschen zu werden, müsst ihr bewusst euren Zweck als Menschen erfüllen, und das heißt schlichtweg: menschlich sein. Zuweilen werdet ihr vor der Entscheidung stehen, ob ihr lieber gute Kämpfer, gute Untertanen, gute Geschäftsleute oder ethische Menschen sein wollt, und dann wird euch klar werden, dass ethische Grundsätze einen Preis haben, wenn ihr sie ernst nehmt. So ihr diesen Preis nicht mit Wehmut, sondern mit Stolz zahlt, seid ihr wahrhaft ethisch.

Über das Böse

Meister, sagt, warum gibt es soviel Böses in der Welt?

Wenn ein Mensch einen Tiger tötet, dünkt er sich tapfer; tötet ein Tiger einen Menschen, gilt das als grausam. Dies ist unberechtigt, denn von Natur aus gibt es weder Ethisches, noch Böses; diese Unterscheidung hat der Mensch gemacht, und nur auf ihn als vernunftbegabtes Wesen mit der Fähigkeit zum Mitgefühl ist sie anwendbar. Das Böse ist mehr als nur ein Mangel an Gutem; es ist die bewusste Entscheidung für sein Gegenteil. Alles andere ist lediglich schlecht, also Unwissenheit oder Schwäche, und beidem könnt ihr wirkungsvoll begegnen. Böse ist nur, wer weiß, was richtig wäre, und es nicht tut, obwohl es in seiner Macht stünde. Darum wehren sich die Menschen gegen ethische Einsichten. Doch auch das Böse kann sie nur verführen, nie jedoch selbst Mensch werden. Geboren wird der Mensch frei und ohne jegliche Grundsätze, jedoch mit der Fähigkeit, sie alle in sich aufzunehmen.

Über das Urteilen

Meister, sagt, steht es uns zu, einander ethisch zu beurteilen?

Kein Mensch soll sich anmaßen, einen anderen ethisch zu beurteilen. Was ihr jedoch kritisch beurteilen sollt, sind die Handlungen, die ein Mensch begeht. Über sie sollt ihr euch jederzeit eure eigene, ethische Meinung bilden, und diese Meinung mögt ihr so frei äußern, wie auch die Handlung frei geschah, damit der Handelnde wisse, wie ihr darüber denkt. Achtet jedoch darauf, euch mindestens so sehr im Lob des guten wie im Tadel des schlechten Verhaltens eines Menschen zu üben, und macht stets deutlich, dass ihr nicht ihn, sondern allein seine Taten kritisiert. So ihr jemanden ändern wollt, teilt ihm ruhig und gelassen mit, was seine Handlungen in euch für Gefühle wecken und welches Verhalten ihr ihm statt dessen anempfehlen würdet. Und wann immer ihr ein Urteil über eine Handlung fällt, versichert euch, von der Handlung selbst und von den Gründen, aus denen sie geschah, auch wirklich lückenlose Kenntnis zu besitzen.

Erschienen in Opus no. 108 am 13.5.2001 als Reaktion oder Fortsetzung zu Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (VII.).
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (IX.).


Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (IX.)

Auszüge aus dem gleichnamigen Kollektan
aller der Rohalszeit entstammenden Bände 
der 'Gespräche Rohals des Weisen' 
in freier Transkription, 
verfasst in der Sprache des Volkes, 
getätigt durch Lizentiatus Vitus Ehrwald,
Abgänger der Herzog-Eolan-Universität zu Methumis,
so geschehen im Jahre 2515 Horas zu Gareth 
mit gnädiger Unterstützung des Pentagontempels 
der Herrin Hesinde

Über die Träume und die Wirklichkeiten

Meister, sagt, ist das gute Leben wirklich ein erreichbares Ziel, oder doch nicht mehr als ein schöner Traum?

Ihr pflegt immer zu sehen und zu fragen 'warum?', doch solltet ihr lieber träumen und fragen 'warum nicht?'. Wenn einer allein träumt, ist es nur ein Traum, wenn viele gemeinsam träumen, ist das der Beginn einer neuen Wirklichkeit. Träume wirken oft viel stärker auf uns als wirkliche Erlebnisse, weil ein Erlebnis immer eine viel geringere Realität hat als die Phantasie. Phantasie ist etwas, was sich manche Leute gar nicht vorstellen können. Sie gehört zu den wichtigsten Geschlechtsorganen des Menschen und tröstet ihn über das hinweg, was er nicht sein kann, während der Humor ihn über das hinweg tröstet, was er tatsächlich ist. Humor und Phantasie sind die Schwimmgürtel auf dem Strom des Lebens. Darum pflegt und achtet beide, denn sie sind von großem Wert.

Über die Visionen

Meister, sagt, ist es nicht schädlich, sich mit Visionen zu begnügen, statt die Realität zu verändern?

Die besten Ideale taugen wenig, so ihr euch hinter ihnen vor der Wirklichkeit versteckt und nicht den Mut und die Kraft aufbringt, aus Worten Taten werden zu lassen. Doch wenn ihr ein Schiff bauen wollt, so ruft nicht Menschen zusammen, um Holz zu sammeln, Skizzen anzufertigen und die Arbeit zu verteilen, sondern lehrt sie die Sehnsucht nach dem großen, weiten Meer. Wenn das Leben keine Vision hat, nach der man sich sehnt, die man verwirklichen will, dann gibt es auch kein Motiv, sich anzustrengen. Aber Visionen können erst Wirklichkeit werden, wenn man die Möglichkeit ihrer Erfüllung auch in Betracht zieht. Niemand wird alt, weil er eine bestimmte Anzahl von Jahren gelebt hat. Menschen werden alt, wenn sie ihre Ideale verraten. Es ist unglaublich, wie viel Kraft die Seele dem Körper zu leihen vermag, denn nichts ist so stark wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Darum achtet auf eure Gedanken, sie sind der Anfang eurer Tat.

Erschienen in Opus no. 109 am 20.5.2001 als Reaktion oder Fortsetzung zu Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (VIII.).
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (X.).


Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (X.)

Auszüge aus dem gleichnamigen Kollektan
aller der Rohalszeit entstammenden Bände 
der 'Gespräche Rohals des Weisen' 
in freier Transkription, 
verfasst in der Sprache des Volkes, 
getätigt durch Lizentiatus Vitus Ehrwald,
Abgänger der Herzog-Eolan-Universität zu Methumis,
so geschehen im Jahre 2515 Horas zu Gareth 
mit gnädiger Unterstützung des Pentagontempels 
der Herrin Hesinde

Über den Tod

Meister, sagt, ist das Leben nicht zu kurz, um wahrhafte Ethik zu erlernen? 

Es ist nicht wenig Zeit, die ihr habt, sondern viel Zeit, die ihr nicht nutzt. Man muss nicht dem Leben Jahre hinzufügen, sondern den Jahren Leben. Darum sollt ihr auch nicht von Zeitvertreib, sondern von Zeitgenuss reden. Sorgt euch vor allem um ein Leben vor, nicht nach dem Tode. Lernt loszulassen! Das ist die große Lektion des Lebens. Philosophieren heißt sterben lernen. Es ist euer Irrtum, dass ihr den Tod in der Zukunft erwartet. Er ist zum großen Teil schon vorüber. Was von eurem Leben hinter euch liegt, hat der Tod, der allem Weltlichen ein Ende setzt. Doch nicht jedes Ende ist das Ziel. Das Ende der Melodie ist nicht ihr Ziel, und doch hat sie ihr Ziel nicht erreicht, bevor sie nicht auch ihr Ende erreicht hat. Leben und Tod sind zwei Geheimnisse, verschlossen hinter zwei Türen, von denen jede den Schlüssel zur anderen verbirgt. Doch dass ihr einmal gelebt habt, kann euch keiner nehmen, und wahrhaft tot seid ihr erst, wenn niemand mehr an euch denkt.

Über die Furcht

Meister, sagt, ist es nicht menschlich, Furcht zu empfinden?

Nichts mag menschlicher sein als die Furcht, doch dies allein ist noch keine Rechtfertigung. Mut heißt nicht, keine Furcht zu kennen, sondern seine Ängste zu überwinden. Es ist darum nichts zu fürchten als die Furcht. Selbst Götterfurcht ist Götterlästerung. Auch Feinde hat der Mensch auf der Welt nicht zu fürchten, denn es gibt unter den Menschen keine Feinde, außer jenem Feind in den Menschen selbst, der ihnen andere als Feinde erscheinen lässt. Die größte Gefahr im Leben ist oft, dass man zu vorsichtig ist. Drum stürzt euch kühn in die Fülle des Lebens! Gefahrlos ist Gefahr niemals zu überwinden. Wenn ein Mensch nicht bereit ist, für seine Überzeugungen Risiken einzugehen, dann taugen entweder seine Überzeugungen, oder aber der Mensch selbst nichts. Das Rechte erkennen und nicht tun, ist Mangel an Mut. Mut jedoch ist eine Tugend und als solche eine besondere Art der Willenskraft.

Erschienen in Opus no. 110 am 27.5.2001 als Reaktion oder Fortsetzung zu Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (IX.).
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XI.).


Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XI.)

Auszüge aus dem gleichnamigen Kollektan
aller der Rohalszeit entstammenden Bände 
der 'Gespräche Rohals des Weisen' 
in freier Transkription, 
verfasst in der Sprache des Volkes, 
getätigt durch Lizentiatus Vitus Ehrwald,
Abgänger der Herzog-Eolan-Universität zu Methumis,
so geschehen im Jahre 2515 Horas zu Gareth 
mit gnädiger Unterstützung des Pentagontempels 
der Herrin Hesinde

Über die Tugenden

Meister, sagt, was meint ihr, wenn ihr von Tugend redet?

Alle Tugenden haben in allen Kulturen das gemein, dass sie stets entweder euch selbst oder anderen nützlich oder angenehm sind. Der ethische Wert einer Handlung wird nicht dadurch geschmälert, dass ihr selbst Freude dabei empfindet. Darum ist Keuschheit ebenso wenig eine Tugend wie Unterernährung, denn Tugend besteht nicht in der Abwesenheit von Leidenschaften, sondern in ihrer Kontrolle. Genau das ist es, was ein tugendhaftes Leben so schwer macht, denn es ist leichter, einer Begierde ganz zu entsagen, als in ihr Maß zu halten. Bemüht euch nach Kräften, tugendhafte Menschen zu werden; das wird einige Leute zufrieden stellen und die anderen in Erstaunen versetzen. Doch seid stets wachsam, denn der schlimmste Missbrauch ist der Missbrauch des Besten. Angebliche Stärke des Charakters ist oft nichts weiter als eine Schwäche des Gefühls, und so mancher meint, ein gutes Herz zu haben, und hat nur schwache Nerven.

Über die Freude und den Nutzen

Meister, sagt, wenn alle Tugenden entweder angenehm oder nützlich sind, ist das Streben nach Freude und Nutzen dann auch immer tugendhaft?

Freude und Nutzen sind die grundlegenden Ziele menschlichen Handelns. Doch legitim sind sie nur auf die Menschheit, nicht auf den Einzelnen bezogen. Nie sollt ihr euch daher zum Erreichen dieser Ziele verleiten lassen, euch unlauterer Mittel zu bedienen oder Umstände in Kauf zu nehmen, die dem Prinzip der Ethik entgegen laufen. Gebt acht, dass ihr sinnlichen Genuss nicht mit wahrhaft erfüllender Freude verwechselt, denn echtes Glück erwächst nicht aus dem, was ihr habt, sondern aus dem, was ihr seid. Eure eigenen Interessen schätzt nicht höher als die Interessen anderer, denn das Leben in ihnen ist ebenso wertvoll wie das Leben in euch. Achtet auch stets darauf, dass nicht Wenige zu Gunsten der Freude oder des Nutzens Vieler ungerecht behandelt werden, denn dies wäre ein bei weitem zu hoher Preis, den wahrhafte Ethik nie zu zahlen bereit ist.

Über den Genuss

Meister, sagt, wie unterscheidet sich sinnlicher Genuss von wahrhafter Freude?

Genuss ist das sinnliche Empfinden von Glück, Freude hingegen ist Glücklichsein. Um Genuss zu empfinden, braucht ihr stets etwas, das ihr genießen könnt, das euch als Mittel für den Zweck des Genussempfindens dient. Wahrhafte Freude hingegen ist nicht so sehr ein gefühlsmäßiger Zustand, als vielmehr ein den ganzen Menschen umfassender Zustand des Seins und erfordert nichts weiter außer euch selbst. Ein schmackhafter Braten mag euch sinnlichen Genuss bereiten, wahrhafte Freude jedoch wird sich bei seinem Verzehr nicht einstellen, denn der Teil von euch, der nicht am sinnlichen Genuss teilhat, den ihr betäuben müsst, um überhaupt genießen zu können, kann nicht darüber glücklich sein, dass ihr als Objekt eures Genusses ohne Not ein ehemals lebendes Wesen verzehrt. Genuss und Freude stehen nicht in Widerspruch, doch nur, was ihr als ganzer Mensch bewusst genießen könnt, ist wirklich von Wert.

Über die Schönheit

Meister, sagt, wie kommt es, dass wir bestimmte Dinge als schön empfinden?

Schönheit ist das Versprechen des Glücks und keine Eigenschaft der Dinge, sondern deren Wirkung auf euch als harmonisches Ganzes. Schön kann alles sein, das ihr mit Liebe betrachtet, und diese Art der Schönheit, die dem Lebenden inne wohnt, ist auch von Dauer. Einen Regenbogen, der eine Viertelstunde lang steht, schaut ihr nicht mehr an, doch der Schönheit des geliebten Wesens an eurer Seite wird die Gewohnheit niemals etwas anhaben können. Um euch stets an der Schönheit, wo immer sie euch begegnet, erfreuen zu können, müsst ihr lernen, den Augenblick jenseits der Bedeutung von Vergangenheit und Zukunft zu genießen und jedem Tag die Möglichkeit zu geben, der schönste eures Lebens zu werden. Hütet euch daher vor andauernder Schwermut, die euch den Blick für das Schöne zu rauben vermag. Es ist in Ordnung, einmal schlechte Laune zu haben, doch nur solange es nicht im Grunde die schlechte Laune ist, die euch hat. 

Erschienen in Opus no. 111 am 10.6.2001 als Reaktion oder Fortsetzung zu Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (X.).
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XII.).


Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XII.)

Auszüge aus dem gleichnamigen Kollektan
aller der Rohalszeit entstammenden Bände 
der 'Gespräche Rohals des Weisen' 
in freier Transkription, 
verfasst in der Sprache des Volkes, 
getätigt durch Lizentiatus Vitus Ehrwald,
Abgänger der Herzog-Eolan-Universität zu Methumis,
so geschehen im Jahre 2515 Horas zu Gareth 
mit gnädiger Unterstützung des Pentagontempels 
der Herrin Hesinde

Über die edlen Taten und den edlen Sinn

Meister, sagt, ist es wichtiger: dass man etwas tut, oder warum man es tut?

Eine Handlung ist nur dann wirklich tugendhaft, wenn sie nicht nur in ihrer Folge euch selbst oder anderen angenehm oder nützlich ist, sondern wenn auch das Motiv eurer Handlung auf diesen Zweck hin ausgerichtet war. Man stattet Dank nicht bloß deshalb ab, um die Dankbarkeit loszuwerden. Man verzichtet auf Rache nicht bloß, um gegenüber einem stärkeren Gegner nicht noch zusätzlichen Schaden zu nehmen. Wer solches tut, kann schwerlich von sich sagen, ein tugendhafter Mensch zu sein, denn er folgt nicht seinen Werten, sondern seinen nüchternen Interessen. Der Tugendhafte wird Freude empfinden, wenn er Gutes tut, doch er tut nicht Gutes, um Freude zu empfinden. Aber auch umgekehrt gilt die gute Absicht wenig oder nichts ohne die Handlung. Mitgefühl ist gut, doch besser, als einen Menschen zu bemitleiden, ist es, ihm zu helfen, denn Ethik ist nicht bloß eine Lehre, sondern eine Tätigkeit.

Über den Frieden

Meister, sagt, darf man sich für einen edlen Zweck der Gewalt bedienen?

Die Gewalt ist der Feind des Friedens ebenso wie der Freiheit, denn wo immer sie auftritt, erzeugt sie Gegengewalt, die ihr früher oder später ebenbürtig oder überlegen werden wird. Darum sollt ihr euch stets bemühen, Gewalt in all ihren Formen zu meiden und den Frieden im gelassenen Dialog anzustreben. Gewalt verursacht Schmerz, und der größte Schmerz eines Volkes ist der Krieg. Die Schriftsteller, welche sind die Gewissensbisse der Menschheit, können nicht so schnell schreiben, wie manche Staaten Kriege losbrechen lassen, denn das Schreiben erfordert Denkarbeit. Ihr jedoch sollt euch und eure Mitmenschen vor Schmerz bewahren und euer Streben auf dem Weg des Friedens in den Dienste des Glücks stellen. So euch jedoch Gewalt durch andere widerfährt, leistet Widerstand, aber gebt acht, länger zu leben als die Gewalt und euch, die euren und eure Sache zu bewahren, statt zu opfern oder zu verraten.

Über die Laster und die noch größeren Übel

Meister, sagt, welche Handlungen sollten wir unbedingt vermeiden? 

Vermeiden sollt ihr all jene Handlungen, die euch oder anderen schädlich sind oder Verdruss bereiten. Nie sollt ihr die Achtung vor dem Leben verlieren, nie euch selbst verraten und nie euer Mitgefühl für andere verrohen lassen. Das größte Übel, das ihr euren Mitmenschen antun könnt, ist nicht, sie zu hassen, sondern ihnen gegenüber gleichgültig zu sein. Das ist absolute Unmenschlichkeit. Doch auch das Hassen überlasst denen, die zu schwach sind, um zu lieben. Lasst euch niemals von Oberflächlichkeiten täuschen, und prüft auch stets eure eigenen Handlungen und Motive auf ihre Lauterkeit. Bedenkt, dass ihr nur mit dem Herzen gut zu sehen vermögt, denn das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. Und so ihr nicht tun könnt, was ihr wollt, tut zumindest, was ihr könnt, und lasst euch nicht verleiten, einmal zu denken, es sei genug, denn das gute Gewissen ist eine Erfindung des Namenlosen. 

Erschienen in Opus no. 112 am 17.6.2001 als Reaktion oder Fortsetzung zu Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XI.).
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XIII.).


Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XIII.)

Auszüge aus dem gleichnamigen Kollektan
aller der Rohalszeit entstammenden Bände 
der 'Gespräche Rohals des Weisen' 
in freier Transkription, 
verfasst in der Sprache des Volkes, 
getätigt durch Lizentiatus Vitus Ehrwald,
Abgänger der Herzog-Eolan-Universität zu Methumis,
so geschehen im Jahre 2515 Horas zu Gareth 
mit gnädiger Unterstützung des Pentagontempels 
der Herrin Hesinde

Über die Pflicht zur Ethik

Meister, sagt, ihr redet oft von Pflicht, doch welche ist die höchste von allen?

Eure höchste Pflicht liegt darin, die Ethik als ins Grenzenlose gesteigerte Verantwortung gegenüber allem, was lebt, zu erkennen und diese Erkenntnis in eurem Handeln lebendig werden zu lassen. Dazu müsst ihr euer Mitgefühl und eure Willenskraft stärken und erhalten. Das Streben nach ethischer Vervollkommnung ist wie das Rudern gegen den Strom; sobald man aufhört, treibt man zurück. Ihr sollt euch davon jedoch nicht entmutigen lassen. Ein jeder möchte die Welt verbessern, und ein jeder könnte es auch, wenn er nur bei sich selbst anfangen wollte. Achtung verdient, wer vollbringt, was er vermag, doch die Sünde eines jeden Menschen beginnt dort, wo er nur noch das Mögliche will. Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen. Wer einen Stein ins Wasser wirft, verändert damit das Meer, und es ist besser ein einziges, kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen.

Über die Grundgedanken ethischen Handelns

Meister, sagt, was sind die Grundprinzipien ethischen Handelns?

Geistige Macht habt ihr nur, wenn die Menschen euch anmerken, dass ihr nicht kalt nach ein für allemal festgelegten Prinzipien entscheidet, sondern in jedem einzelnen Falle um eure Menschlichkeit kämpft. Es gibt nun einmal keine ewigen Werte; ewig ist nur der Menschen Sehnsucht nach ihnen. So ihr aber eine grundlegende Richtlinie eures Handelns benötigt, handelt so, dass ihr zu jeder Zeit wollen könnt, dass alle anderen an eurer Stelle genauso handelten wie ihr. Lebt nicht nur so, als ob euer Leben morgen enden könnte, sondern auch so, als ob ihr noch hundert Jahre zu leben hättet. Lernt dazu, die anderen als Zweck, nicht jedoch als Mittel zu begreifen und euer Handeln stets auch durch ihre Augen zu beurteilen. Bedenkt, dass wer den Zweck will, auch die Mittel wollen können muss, die zum erreichen dieses Zwecks notwendig sind. Und wohin ihr auch geht, geht mit eurem ganzen Herzen und bleibt euch selbst treu.

Über das Heldentum

Meister, sagt, was macht einen wahrhaften Helden aus? 

Arm ist das Land, das Helden nötig hat, deren Taten die der Masse an Edelsinn übertreffen. Reich hingegen ist das Land, in dem es keine Helden gibt, weil alle Menschen Helden gleichen. Ein Held kämpft mit, wenn er einen Kampf um Gerechtigkeit sieht, doch niemals vergisst er dabei seine ethischen Prinzipien. Er achtet das Leben und stellt sich jeder Gefahr, doch er sucht nicht nach ihr. So er im Zweifel ist, entscheidet er zum Vorteil des anderen und lässt dessen Recht über dem seinen gelten. Leicht ist es, eine gute Handlung zu begehen, der Held jedoch macht es sich zur Gewohnheit, beständig Gutes zu tun. Er strebt danach, die Welt von Schmerz zu erlösen und ihr Glück zu mehren. So er dabei einen Fehler macht, setzt er alles daran, ihn nicht zu wiederholen. Seine Ideale schließlich behandelt er wie Sterne und orientiert sich an ihnen, obwohl er weiß, dass er sie niemals vollends wird erreichen können.

Erschienen in Opus no. 113 am 25.6.2001 als Reaktion oder Fortsetzung zu Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XII.).
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XIV.).


Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XIV.)

Auszüge aus dem gleichnamigen Kollektan
aller der Rohalszeit entstammenden Bände 
der 'Gespräche Rohals des Weisen' 
in freier Transkription, 
verfasst in der Sprache des Volkes, 
getätigt durch Lizentiatus Vitus Ehrwald,
Abgänger der Herzog-Eolan-Universität zu Methumis,
so geschehen im Jahre 2515 Horas zu Gareth 
mit gnädiger Unterstützung des Pentagontempels 
der Herrin Hesinde

Über das Selbst

Meister, sagt, wie schaffen wir es, uns stets selbst treu zu bleiben?

Die Vorstellung, dass der Charakter eines Menschen ein fest zu umreißender Begriff sei, ist ebenso weit verbreitet wie irrig. Es ist nicht ein einziges Selbst, das in euch wohnt, sondern euer Charakter wird aus dem Chor unzähliger Einzelseelen gebildet, der jeden Tag aufs Neue in anderer Zusammensetzung eure Gesinnung bestimmt. Hütet euch also davor, von euch selbst und eurem Willen ein Bild als Einheit aufzubauen, denn es ist die Vielheit all eurer inneren Stimmen, die euch ausmacht. Im Mindesten solltet ihr euch stets bewusst sein, dass euer Handeln das Produkt eurer Gedanken, Gefühle und Triebe ist, also von Geist, Seele und Körper bestimmt wird, die alle ihr Recht einfordern und von denen ihr keine Seite unterdrücken, jedoch auch niemals unkontrolliert und ohne Aufsicht der anderen über euer Tun bestimmen lassen sollt. Dieses Gleichgewicht zu wahren ist das Geheimnis echter Authentizität.

Über den Verstand, das Gefühl und die Triebe

Meister, was ist höher einzuschätzen: Verstand, Gefühl oder Trieb?

Der Mensch ist Mensch, und das bisschen Verstand, das einer haben mag, kommt wenig oder nicht in Anschlag, wenn Leidenschaften wüten und die Grenzen der Menschheit einen drängen. Den Verstand braucht ihr, um mit Weitblick ein vollständiges Bild von einer Handlung und ihren Folgen zu erlangen, doch erst das Gefühl ermöglicht es euch, sie als gut oder schlecht wahrzunehmen, und nur ein gesunder Körper kann aus Absichten auch Taten werden lassen. Wer sich nur von seiner Vernunft leiten lässt, ist nicht vernünftig, und wer zuviel überlegt, sucht oft nur nach Beweggründen, um nicht zu dürfen. Hört daher im Zweifel stets auf euer Herz, doch bemüht gar redlich euch darum, so oft es geht auch den Verstand gelten zu lassen und dabei trotz allem nicht eure menschlichen Triebe zu verleugnen, denn Körper, Geist und Seele machen gemeinsam den Menschen aus, und das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.

Erschienen in Opus no. 114 am 1.7.2001 als Reaktion oder Fortsetzung zu Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XIII.).
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XV.).


Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XV.)

Auszüge aus dem gleichnamigen Kollektan
aller der Rohalszeit entstammenden Bände 
der 'Gespräche Rohals des Weisen' 
in freier Transkription, 
verfasst in der Sprache des Volkes, 
getätigt durch Lizentiatus Vitus Ehrwald,
Abgänger der Herzog-Eolan-Universität zu Methumis,
so geschehen im Jahre 2515 Horas zu Gareth 
mit gnädiger Unterstützung des Pentagontempels 
der Herrin Hesinde

Über die Adressaten der Ethik

Meister, sagt, sind die Menschen wirklich bereit, eure Lehren zu befolgen, oder bleiben eure Gedanken denen vorbehalten, die von herausragendem Geiste sind? 

Große Menschen sind Inhaltsverzeichnisse der Menschheit, doch so der Rat eines Toren einmal gut ist, wird ihn ein gescheiter Mann auch ausführen. Es genügt nicht, wenn einige Wenige wissen, was zu tun ist. Die Welt wird nicht bedroht von den wenigen Menschen, die Böses tun, sondern von den vielen, die Böses zulassen. Verantwortlich ist man nicht nur für das, was man tut, sondern auch für das, was man nicht tut. Wer schweigt, scheint beizustimmen, und wer ein Unrecht zulässt, das er verhindern könnte, befiehlt es gar. Darum richtet sich die Ethik an die Fürsten wie an die einfachen Menschen, denn auch viele kleine Menschen, die an vielen kleinen Orten viele kleine Schritte tun, können das Gesicht der Welt verändern. Alle Menschen sind füreinander da, also belehrt oder duldet sie, denn andere gibt es nicht.

Über die Gemeinschaft

Meister, sagt, ist der Mensch geschaffen zum Leben in der Gemeinschaft oder zum Leben für sich allein?

Allein sein zu können, ist das Schönste, allein sein zu müssen, das Schwerste. Überlegt wohl, bevor ihr euch der Einsamkeit ergebt, ob ihr auch für euch selbst ein heilsamer Umgang seid. Doch bewahrt euch auch stets einen kritischen Abstand gegenüber dem, was die Gemeinschaft heißt, denn nur tote Fische schwimmen mit dem Strom, und um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde zu sein, muss man vor allem erst einmal ein Schaf sein. Das Missverhältnis der Welt scheint jedoch glücklicherweise nur ein zahlenmäßiges zu sein. Darum, wann immer ihr euch auf Seiten einer Mehrheit wiederfindet, solltet ihr einen Moment verharren und nachdenklich werden. Doch hütet euch auch davor, zu anspruchsvoll zu sein. Sucht ihr nach Vollkommenheit, so schaut zuerst in den Spiegel. Findet ihr sie dort, so mögt ihr sie auch anderswo erwarten.

Über die Gleichheit und die Freiheit

Meister, sagt, warum gibt es Wenige, die über Viele herrschen?

Gleichheit ist deshalb so schwer zu verwirklichen, weil die Menschen Gleichheit nur mit jenen wünschen, die über ihnen stehen, und auch ein freier Mensch darf nur tun, was einem anderen nicht schadet. Erhebt weder Freiheit, noch Gleichheit zum Götzen, denn wann immer ihr euch ein Ziel setzt, und Ethik ist das höchste, verliert ihr die Freiheit, das zu tun, was diesem Ziel abträglich ist, und jeder soll das Seine, nicht das Gleiche tun, um dieses Ziel zu erreichen. Demokratie ist die Vermutung, dass mehr als die Hälfte der Leute in mehr als der Hälfte der Fälle recht haben. Damit trägt sie zumindest Sorge dafür, dass die Menschen nicht besser regiert werden, als sie es verdienen. Was die Menschen jedoch am Nötigsten brauchen, ist eine weise Führung, die nicht bloß herrschen will, sondern sie anleitet, das zu tun, was sie können. Geschieht dies nicht, mag die Gesellschaft vielleicht nicht ins Chaos stürzen, jedoch auch nie zur moralischen Vervollkommnung gelangen.

Über die Eigenverantwortlichkeit

Meister, sagt, entbindet uns ein Herrscher von der Verantwortung für unser Handeln?

Man darf niemandem seine Verantwortung abnehmen, aber man soll jedem helfen, sie zu tragen. Einen Rat befolgen heißt immer auch, Verantwortung zu verschieben, und mit dem Gehorsam ist es dasselbe. Irren ist menschlich, doch bei manchen ist der Irrtum häufiger Gast als bei anderen. Darum sollen die Weisen den einfachen Menschen helfen, das Richtige zu erkennen und in ihrem Handeln umzusetzen. Dazu aber müsst ihr lernen, miteinander zu reden und aufeinander zu hören, wenn ihr im Unrecht seid. Verpflichtet bleibt jedoch jeder seinem eigenen Gewissen, der Untertan wie auch der Fürst, selbst gegen Widerstand und Kritik. Die Menschen lieben immer die, von denen sie bewundert werden, aber nicht immer die, die sie selbst bewundern. Doch es ist nicht die Aufgabe eines Fürsten, das zu tun, was ihn beim Volk beliebt macht. Aufgabe des Fürsten ist es, das Richtige zu tun und es bei den Menschen beliebt zu machen. 

Erschienen in Opus no. 115 am 9.7.2001 als Reaktion oder Fortsetzung zu Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XIV.).
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XVI.).


Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XVI.)

Auszüge aus dem gleichnamigen Kollektan
aller der Rohalszeit entstammenden Bände 
der 'Gespräche Rohals des Weisen' 
in freier Transkription, 
verfasst in der Sprache des Volkes, 
getätigt durch Lizentiatus Vitus Ehrwald,
Abgänger der Herzog-Eolan-Universität zu Methumis,
so geschehen im Jahre 2515 Horas zu Gareth 
mit gnädiger Unterstützung des Pentagontempels 
der Herrin Hesinde

Über die Wahrheit

Meister, sagt, kann die Suche nach Wahrheit überhaupt je zum Ziel uns führen?

Von denen, welche sich rühmen, die Wahrheit zu suchen, suchen die mehresten nur ein System; und wenn sie nur irgendeines gefunden haben, so sind sie zufrieden und bleiben nicht selten auf ewig darin gefangen. In Wahrheit ist Wahrheit ein Grenzwert, den der Mensch nie erreichen kann, denn ihr könnt nicht die Dinge an sich, sondern nur deren Erscheinung wahrnehmen. Wahr ist nicht immer das, was ihr wahr haben wollt, und alles, was lediglich wahrscheinlich ist, ist wahrscheinlich falsch. Daher sollt ihr nicht nach Wahrheit, sondern nach Wahrhaftigkeit streben, denn Wahrheit ist bei den Göttern allein. Wahrhaftigkeit jedoch meint Offenheit und Ehrlichkeit zugleich und verdient in jedweder Form stets Anerkennung. Dennoch gehört euer Innerstes nur euch und müsst ihr selbst entscheiden, wem wie viel davon ihr offenbart. Bedenkt jedoch, dass wohl ein halbleeres Glas zugleich ein halbvolles, eine halbe Lüge jedoch mitnichten eine halbe Wahrheit ist.

Über den Glauben

Meister, sagt, was ist der richtige Glaube?

Der Glaube ist eine starke Kraft, die aus Vertrauen und Sehnsucht Hoffnung und innere Ruhe zu schaffen vermag. Doch selbst der Glaube kann den Menschen nicht von etwas überzeugen, das seiner Vernunft zuwiderläuft. Der richtige Glaube ist daher im Unterschied zum Aberglauben ein vernünftiger Glaube, also ein Glaube an das, was auch möglich ist. Damit ist der richtige Glaube auch die Grundlage von Wissen, denn ihr könnt nicht wissen, dass ihr menschliche Wesen seid, ohne zu glauben, das es so ist. Dies macht den Glauben zu einer nicht bewiesenen Wahrheit, den Aberglauben zu einem nicht widerlegten Irrtum. Euer einziges Instrument, um beide voneinander zu scheiden, ist die Vernunft, welche es euch erlaubt, eure Erfahrungen zu ordnen, sie zu interpretieren und verlässliche Schlussfolgerungen aus ihnen zu ziehen. Den Anstoß dazu bietet der Zweifel, der eine wichtige Triebfeder menschlichen Handelns ist.

Über den Zweifel

Meister, sagt, woher wissen wir, dass die Dinge sind, als was sie erscheinen?

Der Zweifel ist wichtig, um einen Irrtum zu erkennen und um einen richtigen Gedanken zu festigen. Einen Gedanke nenne ich richtig, wenn er vernünftig ist, falsch, wenn er aus vernünftigen Gründen nicht zutreffen kann. Nicht jeder Gedanke, für den es keine Gründe oder Beweise gibt, ist unvernünftig. Manche Denker behaupten, der Mensch könnte gar nichts wissen, doch das ist falsch. Ihr wisst vielleicht nicht, ob ihr morgen tot sein werdet, doch ihr wisst, dass es entweder so sein wird oder nicht und könnt Wahrscheinlichkeiten für das eine wie für das andere angeben. Echte Wahrheit vermögt ihr nicht zu erkennen, sehr wohl jedoch verschiedene Wahrheitsgrade, die ihr gegeneinander abwägen könnt. Es ist der Zweifel, der sich gegenüber euren Überzeugungen rechtfertigen und Beweise vorbringen muss, die sie als unrichtig entlarven. Solange er dies nicht kann, ist es vernünftig, an euren Überzeugungen festzuhalten.

Erschienen in Opus no. 116 am 15.7.2001 als Reaktion oder Fortsetzung zu Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XV.).
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XVII.).


Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XVII.)

Auszüge aus dem gleichnamigen Kollektan
aller der Rohalszeit entstammenden Bände 
der 'Gespräche Rohals des Weisen' 
in freier Transkription, 
verfasst in der Sprache des Volkes, 
getätigt durch Lizentiatus Vitus Ehrwald,
Abgänger der Herzog-Eolan-Universität zu Methumis,
so geschehen im Jahre 2515 Horas zu Gareth 
mit gnädiger Unterstützung des Pentagontempels 
der Herrin Hesinde

Über die Schöpfung

Meister, sagt, welchen Sinn haben die Schöpfung und ihre innere Ordnung?

Es ist erstaunlich, dass manche Menschen soviel Energie darauf verwenden, das Gefüge der Sphären verstehen wollen, wo es doch schon schwer genug ist, sich in den Straßen und Gassen der Kaiserstadt zurechtzufinden. Sie bedenken nicht, dass der Plan der Schöpfung vielleicht gar nicht vorsieht, dass die Menschen mit ihrem begrenzten Geiste ihn verstehen. Es gibt mehr Dinge innerhalb und jenseits der Sphären, als euer bescheidener Verstand sich zu erträumen vermag, denn ihr könnt die Dinge stets nur auf menschliche Weise begreifen, und das wird ihnen nicht immer gerecht. Eine verbreitete Theorie besagt, wenn jemals irgend jemand herausfindet, warum das Gefüge der Sphären da ist und wozu es da ist, dann wird es auf der Stelle verschwinden und durch etwas noch Bizarreres und Unverständlicheres ersetzt werden. Es gibt eine andere Theorie, nach der genau das schon geschehen ist.

Über das Schicksal

Meister, sagt, existiert so etwas wie Schicksal oder Vorsehung, und wenn ja, wie kann es dann noch freie Entscheidungen zu ethischem Handeln geben?

Der Mensch hat die fatale Neigung, nur etwas Niederschmetterndes Schicksal zu heißen, und das, wobei seine Berechnungen versagen, nennt er Zufall. Tatsächlich mischt das Schicksal die Karten zum Spiel des Lebens, doch der Mensch ist es, der damit spielen darf. Es mag einer ein schlechtes Blatt auf die Hand bekommen, mit dem er nur schwer das Spiel wird gewinnen können, doch das Ziel liegt nicht im Sieg, sondern im Spielen selbst. Jeder Mensch trägt selbst die Verantwortung für all seine Handlungen, ungeachtet seiner Lebensumstände. Doch auch diese könnten besser sein, denn die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, nur nicht für jedermanns Gier. Die Menschen neigen dazu, Erfolg eher nach dem Ausmaß ihres Reichtums zu bestimmen, als nach dem Maß ihrer Menschlichkeit. Diese jedoch ist des Menschen einziger echter Wert.

Über die Sichtweise der Welt

Meister, sagt, sollen wir stets das Beste, oder stets das Schlechteste erwarten?

Ein Pessimist sieht in jeder Möglichkeit die Schwierigkeiten, ein Optimist in jeder Schwierigkeit die Möglichkeiten. Oft irren sich beide, doch der Optimist lebt froher, denn er führt Rückschläge auf Veränderbares zurück. So ihr zu lange in einen Abgrund blickt, blickt der Abgrund irgendwann auch in euer Herz hinein, das von Trübsal zerfressen euch zum schlechten Ratgeber wird. Türen werden nicht nur zugeschlagen, es gehen auch Türen auf; bloß macht das weniger Lärm. Verhaltet euch nicht gleich dem Zyniker, der von allem den Preis, von nichts jedoch den Wert kennt und dessen mangelnde Wahrnehmung die Dinge nur so sieht, wie sie sind, statt so, wie sie sein sollten. Der Ärger ist als Gewitter gedacht, nicht als Dauerregen; er soll die Luft reinigen, nicht die Ernte verderben. Viel Kälte ist unter den Menschen, weil sie nicht wagen, sich so herzlich zu geben, wie sie sind. Ein Lächeln auf dem Marktplatz hat schon so manchen Selbstmord verhindert.

Erschienen in Opus no. 117 am 19.8.2001 als Reaktion oder Fortsetzung zu Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XVI.).
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XVIII.).


Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XVIII.)

Auszüge aus dem gleichnamigen Kollektan
aller der Rohalszeit entstammenden Bände 
der 'Gespräche Rohals des Weisen' 
in freier Transkription, 
verfasst in der Sprache des Volkes, 
getätigt durch Lizentiatus Vitus Ehrwald,
Abgänger der Herzog-Eolan-Universität zu Methumis,
so geschehen im Jahre 2515 Horas zu Gareth 
mit gnädiger Unterstützung des Pentagontempels 
der Herrin Hesinde

Über den Sinn des Lebens

Meister, sagt, was ist der Sinn des Lebens?

Ihr verlangt, das Leben müsse einen Sinn haben, doch es hat nur genau soviel Sinn, wie ihr ihm gebt. Jedes Wesen außer dem Menschen weiß, dass der Sinn des Lebens allein darin besteht, es zu genießen. Doch der Mensch ist einzigartig, weil er mit anderen Wesen mitfühlen kann. Das macht ihn verantwortlich für das Leben um ihn herum, ja selbst für das Leben derer, die lange nach ihm kommen werden. Darum soll ihm nicht nur an seinem eigenen Glück und am Glück derer gelegen sein, die von ihm abstammen, sondern am Glück eines jeden Wesens, das Leben in sich trägt. Glück und Schmerz sind die durch das Gefühl vorgegebenen Endzwecke, die weiter nicht zu hinterfragen sind; alles andere taugt nur als Mittel für diese beiden. Indem ihr das eine für euch und andere sucht, das andere jedoch zu vermeiden trachtet, erfüllt ihr den Zweck eurer menschlichen Existenz, der einzig darin besteht, menschlich zu sein, und sorgt gleichzeitig für euer Seelenheil.

Über das Leben

Meister, sagt, warum genau sollen wir das Leben so hoch achten?

Nichts gibt es in der Welt, dessen ihr euch sicher wissen könntet, außer eurem eigenen Willen zum Leben. Die Einfühlung ermöglicht es euch, diesen Lebenswillen auch in allen anderen lebendigen Wesen zu erkennen. Ihr seid Leben, das Leben will, inmitten von Leben, das Leben will und fühlt, dass es gut ist, Leben zu erhalten und Leben zu fördern, schlecht jedoch, Leben zu vernichten oder Leben zu hemmen. Aus dieser Erkenntnis erwächst in euch die Grundhaltung der Ethik. Ihr wisst, dass ihr das Recht auf Leben habt und gesteht es auch allem anderen Leben um euch herum zu, so gut ihr es vermögt, ohne euer eigenes Leben aufzugeben, denn soweit geht eure Verantwortung nicht, dass ihr euer eigenes Leben, das die Grundlage eurer ethischen Erkenntnis bildet, für anderes Leben opfern sollt, es sei denn vielleicht im Dienste wahrhafter, selbstloser Liebe. Damit erkennt ihr die höchste Grundhaltung jedweder Ethik: Die Ehrfurcht vor dem Leben!

Über das Töten

Meister, sagt, kann das Beenden von Leben jemals gerechtfertigt sein?

Selten tötet der Mensch grundlos, noch seltener aus einem guten Grund, aber selbst dann hat er nur Gründe für sein Tun, nie jedoch eine Rechtfertigung. Ihr könnt nicht leben, ohne den Tod anderen Lebens zu verursachen. Nicht immer tragt ihr dafür die Schuld, aber stets die Verantwortung. Darum sollt ihr Tod und Leid zu vermeiden suchen, wo immer es möglich ist. Der Landmann, der soeben viele Rechtschritt Gras als Futter für seine Tiere gemäht hat, soll sich hüten, auf seinem Heimweg gedankenlos eine Blume oder einen Käfer zu zertreten. So ihr meint, nicht auf das Essen von Tieren verzichten zu können, esst sie zumindest seltener, doch macht euch stets bewusst, was eure Schwäche für anderes Leben bedeutet. Die Menschen gehen lieber zugrunde, als dass sie ihre Gewohnheiten ändern, doch man verliert nicht immer, wenn man entbehrt. Denkt daran und trefft nur solche Abwägungen, zu denen ihr auch stehen könnt, ohne euch selbst täuschen zu müssen.

Erschienen in Opus no. 118 am 26.8.2001 als Reaktion oder Fortsetzung zu Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XVII.).
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XIX.).


Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XIX.)

Auszüge aus dem gleichnamigen Kollektan
aller der Rohalszeit entstammenden Bände 
der 'Gespräche Rohals des Weisen' 
in freier Transkription, 
verfasst in der Sprache des Volkes, 
getätigt durch Lizentiatus Vitus Ehrwald,
Abgänger der Herzog-Eolan-Universität zu Methumis,
so geschehen im Jahre 2515 Horas zu Gareth 
mit gnädiger Unterstützung des Pentagontempels 
der Herrin Hesinde

Über die Einfühlung

Meister, sagt, wie können wir anderes Leben so hoch schätzen wie unser eigenes? 

Die Fähigkeit, die es dem Menschen ermöglicht, andere in ihren Interessen und Bedürfnissen genauso ernst zu nehmen wie sich selbst, ist die bewusste Einfühlung, welche die Brücke zwischen aktiver Willenskraft und passivem Mitgefühl schlägt. Kein Mensch ist ihrer von Geburt an fähig, doch ähnlich wie für den Gebrauch der Sprache sind ihm Eigenschaften gegeben, die es ihm ermöglichen, diese Fähigkeit zu erwerben und in ihr zur Meisterschaft zu gelangen, so er sich darum bemüht. Der Mensch kann dann in die Rolle von allem schlüpfen, was mit ihm das Wunder des Lebens gemein hat, und die Welt, sich selbst und seine Handlungen aus der Perspektive des anderen wahrnehmen und bewerten. Er denkt nicht nur sich selbst in die Rolle des anderen, sondern vermag sich selbst in den anderen verwandelt zu fühlen, mit all seinen Eigenheiten, Interessen und Bedürfnissen. Dies ist es, was dem Menschen wahrhafte Ethik überhaupt erst möglich macht.

Über das Maßhalten

Meister, sagt, wie finden wir für all unser Tun das rechte Maß?

Von allem, was ihr tun könnt, gibt es ein Zuviel und ein Zuwenig, denn optimal heißt nicht maximal. Die goldene Mitte im Allgemeinen ist die Ethik, im Besonderen die Tugend. Furchtsamkeit ist ein Mangel, Tollkühnheit ein Übermaß an Mut. Das rechte Maß ist das, was auch hinterher keinen Schmerz bringt. Meist liegt es dem einen Extrem näher als dem anderen, so dass es am sichersten zu finden ist, wenn ihr euch stets bemüht, euch von dem entlegeneren Extrem fern zu halten. Auch an Ethik gibt es in gewisser Weise neben dem Mangel auch ein Zuviel. Es ist jedoch sehr selten und liegt dort, wo ihr euch so sehr für anderes Leben aufreibt, dass euer eigenes Leben euch nicht mehr zu erfreuen vermag. Ethik ist nicht eigentlich die Lehre davon, wie ihr glücklich werdet, sondern davon, wie ihr es wert werdet, glücklich zu sein. Doch ethische Empfindsamkeit meint nicht nur Mitleiden, sondern auch, dass ihr euch mit anderen freuen können sollt.

Erschienen in Opus no. 120 am 9.9.2001 als Reaktion oder Fortsetzung zu Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XVIII.).
Zu diesem Artikel erschien folgende Reaktion oder Fortsetzung: Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XX.).


Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XX.)

Auszüge aus dem gleichnamigen Kollektan
aller der Rohalszeit entstammenden Bände 
der 'Gespräche Rohals des Weisen' 
in freier Transkription, 
verfasst in der Sprache des Volkes, 
getätigt durch Lizentiatus Vitus Ehrwald,
Abgänger der Herzog-Eolan-Universität zu Methumis,
so geschehen im Jahre 2515 Horas zu Gareth 
mit gnädiger Unterstützung des Pentagontempels 
der Herrin Hesinde

Über die gelebte Ethik

Meister, sagt, was können wir tun, um die Ethik der Menschen zu fördern?

Ein ethisches Leben führen ist schwierig, doch noch schwieriger ist, es anderen nicht aufzuzwingen. Gebt jedem die Möglichkeit, an euren ethischen Erkenntnissen teilzuhaben, doch nicht durch Belehrung, sondern durch euer ethisches Vorbild. Ethische Überzeugungen sind vielschichtig; zwar müssen sie auch gelehrt, doch vor allem müssen sie vorgelebt werden. Ihr philosophiert nicht, um zu erfahren, was ethische Wahrhaftigkeit sei, sondern um ethische Menschen zu werden. Weil Ethik jedoch kein Privileg sein soll, darf Philosophie nicht schwer sein, denn sonst ist etwas faul bei dem, der sie vertritt. Es trägt Verstand und rechter Sinn mit wenig Kunst sich selber vor, doch viele Vorträge hintereinander heißt, in einem Fort säen, so dass nichts wachsen kann. Aus Wissen allein entstehen weder gesellschaftliche Moral, noch ethische Überzeugungen. Darum sollt ihr eure Ethik nicht nur lehren, sondern vor allem leben!

Über die Versuchung zur Resignation

Meister, sagt, wie bleiben wir stark, wenn wir sehen, dass unser ethisches Streben folgenlos bleibt?

Euer ethisches Handeln soll stets auf Erfolg ausgerichtet, nicht jedoch auf ihn angewiesen sein. Wo Kraft ist, ist Wirkung von Kraft. Kein Sonnenstrahl geht verloren. So der Erfolg in der Ethik einmal auszubleiben scheint, gibt es viele Dinge, die euch helfen mögen, den richtigen aber schweren Weg bis zu Ende durchzustehen. Die wichtigsten sind die Hoffnung, der Schlaf und das Lachen. Bewahrt euch daher eure Ideale, denn es gibt mehr Leute, die kapitulieren, als solche, die scheitern. Darum, solange ihr atmet, sollt ihr auch hoffen. Haltet euch jeden Tag eine halbe Stunde für eure Sorgen frei, und in dieser Zeit macht ein Nickerchen. Und lernt die Dinge nur mit genau der Ernsthaftigkeit zu betrachten, die sie verdienen. Darüber hinaus mag auch die Kunst euch Trost in schweren Zeiten sein. Der Poet versteht die Natur für gewöhnlich besser als der wissenschaftliche Kopf, und die Poesie heilt ebenso oft wie wirkungsvoll die Wunden, die der Verstand geschlagen hat.

Über die Kritik

Meister, sagt, wie sollen wir mit Menschen umgehen, die eure Lehre kritisieren?

Gedanken springen wie Flöhe von einem zum anderen, doch sie beißen nicht jeden. Ich bin dankbar für die schärfste Kritik, so sie nur sachlich bleibt, jedoch meinen unsere Gegner oft, uns bereits zu widerlegen, wenn sie ihre Meinung wiederholen und auf die unsrige nicht achten. Verlangt nicht, dass der Kleinbürger seine Moral aufgibt, doch besteht darauf, dass er euch die eure lässt, denn Toleranz ist gut, aber nicht gegenüber Intoleranten. Dem Schlechten missfallen heißt, gelobt zu werden, und es gibt eben Leute, die solange den Kopf über der Suppe schütteln, bis ein Haar hinein fällt. Die Menschen lieben es, wenn jemand frisch heraus sagt, was er denkt, doch nur, wenn er dasselbe denkt wie sie. Ideen sind wie Kinder: die eigenen liebt man am meisten. Darum grämt euch nicht über die, die eure Überzeugungen nicht teilen, sondern erfreut euch derer, die ihr zur wahrhaften Ethik habt führen können!

Über die Nachwelt

Meister, sagt, so viel habt ihr uns gelehrt über das rechte Leben, und vielen Generationen noch werden eure Lehren guten Dienst erweisen; doch gibt es eine Botschaft, die der Nachwelt zu hinterlassen ihr vielleicht gedenkt, um sie zu einem Leben in größerer ethischer Vollkommenheit anzuleiten, als es unserer Zeit bisher vergönnt war?

Liebe Nachwelt!
Wenn ihr nicht gerechter, friedlicher und überhaupt vernünftiger sein werdet, als wir es sind, beziehungsweise gewesen sind, so sollen euch die Gehörnten holen!

Erschienen in Opus no. 121 am 16.9.2001 als Reaktion oder Fortsetzung zu Aus den 'Gesprächen Rohals des Weisen über Ethik und Moral' (XIX.).

Suche in 575 Opus-Artikeln

ein oder mehrere Begriffe
alle Artikel anzeigen

Der Schwarze Limbus Nachricht an die Autoren (c) 1998-2006 Spielerverein der Freunde des Gepflegten Rollenspiels